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    ("Rock 'n' Roll für die Volksgesundheit")


17. Oktober 1992


Oberösterreichische Nachrichten, 17. 10. 1992, Seite 6

Rock 'n' Roll für die Volksgesundheit

Seine jüngste Platte "A blede Gschicht" ist sofort nach Erscheinen auf Platz eins der heimischen LP-Hitparade hochgezischt, sogar Falco sah dagegen flügellahm aus. Und das, obwohl es den Ostbahn-Kurti eigentlich gar nicht gibt, denn sein ganzes Leben ist eine liebevolle Erfindung des Journalisten Günter Brödl.

Daß der Kurti und seine Begleitband, die Chefpartie, trotzdem zum Echtesten gezählt werden, das die österreichische Rockszene jemals hervorgebracht hat, ist ein Verdienst von Willi Resetarits. Das ehemalige Mitglied der Politband Schmetterlinge, die sogar einmal beim "Song Contest" sang (letzter Platz 1977), hat den erfundenen Kurti in einzigartiger Weise mit Leben erfüllt. Das Publikum weiß vom Doppelleben des Kurti, macht den Spaß aber gerne mit und nimmt den Kurti dort ernst, wo er ernstgenommen werden will. Oft verschwimmen bei Kurti-Willi die Grenzen zwischen Spaß und Ernst - beim folgenden Interview war es nicht anders.

OÖN: Wie fühlt man sich, wenn man nach langen Jahren im Untergrund plötzlich an der Spitze steht?

Kurti: Da gibt's zwei Seiten. Auf der einen Seite ist alles normal. Das sind dieselben Leute, die das machen, da ändert sich ja nichts. Der Schmäh ändert sich nicht, die ganze Art, genauso ändert sich nichts beim Musizieren.

OÖN: Die andere Seite ist, wenn du zum Beispiel in ein Beisl gehst? Heißt es da überall: Schauts, da kommt der Herr Rockstar?

Kurti: Na, außer wenn viele Rauschige sind. Aber viele sind einfach normal und grüßen, wie wann ich a Stockwerk unter ihnen wohnen tät oder so.

OÖN: Aber lästig ist das nicht? Kurti: Lästig ist es nur, wenn ich heimgehn will. Ich hab immer den Kampf im Gasthaus, weil ich eh ein Pickenbleiber bin. Aber wenn ich jetzt einmal net pickenbleiben will, dann sind da natürlich sieben, acht Leut', die rundherum stehen und mich zum Dableiben überreden. Und ich bin dann gleich überredet. Das ist eine zusätzliche Belastung, die war früher nicht so groß.

OÖN: Der Starruhm ist also eine körperliche Belastung.

Kurti: Ja, weil der alternde Organismus doch eine längere Regenerationsphase braucht.

OÖN: Gibt es noch eine klare Unterscheidung zwischen Ostbahn-Kurti und Willi Resetarits?

Kurti: Die hat es immer gegeben. Oder net gegeben, wie's halt is. Weil die Geschichte war ja immer die mit der Mengenlehre, mit den zwei überschneidenden Mengen. Logisch, der Willi hat den Kurtl a bißl angefüllt, und umgekehrt natürlich auch.

OÖN: Unterschiede zwischen den beiden bleiben aber schon?

Kurti: Da bleiben Mengen am Rand übrig, Restmengen links und rechts vom Kurtl und vom Willi, wo sie sich nicht überschneiden.

OÖN: Und was hält der Resetarits vom Ostbahn-Kurti?

Kurti: Der Willi ist ein alter Aufklärer und würdigt die volksbildnerische Tätigkeit des Kurtl. Und natürlich auch die Arbeit, die der Kurtl für die Volksgesundheit leistet.

OÖN: Das mit der Volksgesundheit mußt du erklären.

Kurti: Das ist kurz beschrieben worden vom Dichter mit den hehren Worten: Ihr brauchts kan Doktor, ihr brauchts nur den Rock 'n' Roll . . .

OÖN: Entschuldigung, das habe ich vergessen.

Kurti: . . . und immer wieder hört man auch von Entzugserscheinungen in der Sommerpause, also die jungen Menschen kommen ja wie in die Therapie.

OÖN: Speziell in Wels, wo es die treuste Kurti-Fangemeinde gibt?

Kurti: In Wels ist ein harter Kern von Leuten, die also wirklich therapeutisch fast in Abhängigkeit sind. Und deshalb haben wir auch gesagt, daß unsere Tonträger praktisch das Methadon-Programm sind, um zwischen den Konzerten die ärgsten Entzugserscheinungen zu stillen.

OÖN: Bei einem Rockstar nimmt man an, daß er reich ist. Ist das Geld schädlich für die Psyche?

Kurti: Das ist schwer. Geld verdirbt den Charakter. Das ist ein Kampf . . .

OÖN: Eine Menge Leute glauben, daß du den Ambros abgelöst hast als aufrechter Mann aus dem Volke.

Kurti: Das ist eine Geschichte, die sich bei den Leuten abspielt, bei jedem einzelnen. Das hat nicht soviel mit uns zu tun. Was biografisch bei den Leuten passiert, welche Lieblinge sie haben, das wird dann auf uns projiziert.

OÖN: Aber die Leute, die früher bei den Ambros-Konzerten waren, sind jetzt beim Kurti, weil sie dem Ambros nichts mehr glauben.

Kurti: Teilweise. Ich glaube, wir haben eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Was mir sehr gut gefällt, weil ja nur die Hälfte wahr ist von den Sachen, die wir sagen. Aber die wahren Sachen müssen ja nicht wirklich passiert sein - die nicht passiert sind, sind oft viel wahrer.

OÖN: Früher als Willi bei den Schmetterlingen hast du dich oft politisch geäußert. Das gibt es jetzt auch noch, zum Beispiel zur Ausländerfrage.

Kurti: Das ist aber das einzige! Grundsätzlich sagt der Kurtl wenig, weil der ist unpolitisch, und es ist ihm Wurscht. Vom Kurtl aus ist alles unpolitisch, und die Hörer selber müssen dann sagen: Na ja, so unpolitisch ist er eh net. Und da gibt's diese eine Abweichung vom Prinzip, das ist die Ausländergeschichte mit den Nazis. Das ist stark von der Chefpartie ausgegangen, daß die gekommen sind und gesagt haben: Eigentlich darf kein Konzert vorbeigehen, ohne daß man da eine Meldung macht.

OÖN: Könntest du erklären, was euch an der Ausländergeschichte nicht gefällt?

Kurti: In Wirklichkeit sind es die irrationalen Sachen. Wie Umfrageergebnisse, daß die Angst vor den Ausländern dort besonders groß ist, wo es gar keine Ausländer gibt. Grundsätzlich sind wir schon Leute, die in einer sozialen Tradition stehen. Wir wollen Solidarität und nicht bei jeder Gelegenheit gleich Angstgeschichten. Wenn die Politiker feststellen, so wie der Klestil, das sie die Angst der Österreicher verstehen, dann wird erstens die Angst legitimiert und zweitens verstärkt. Man sollte die Kraft darauf verwenden, die realen Probleme zu lösen, die es mit Ausländern natürlich auch gibt.

OÖN: Kommen wir zu eher unernsten Fragen: Was macht den Unterschied zwischen echtem und unechtem Rock 'n' Roll aus?

Kurti (berät sich längere Zeit mit der Chefpartie, schließlich einigt man sich auf ein offizielles Statement): Die Antwort auf die Frage, was den echten vom unechten Rock 'n' Roll unterscheidet, lautet: Über unsere Austropop-Kollegen reden wir nicht.

OÖN: Welche Hobbys pflegt der Kurti?

Kurti: Da ist einmal das eine, über das ich nicht reden will . . .

OÖN: Aus Jugendschutzgründen?

Kurti: Nein, weil's niemanden etwas angeht. Was hab ich sonst für Hobbys? (Zuruf von den Musikern: Donald Duck lesen!) O ja, Donald-Duck-mäßig bin ich relativ beschlagen. Kürzlich haben wir wieder den Fridolin Freudenfett entdeckt, das war in der Geschichte mit dem Kanuwettbewerb zwischen Gustav und Donald (erzählt begeistert die ganze Geschichte).

OÖN: Und andere literarische Interessen gibt es nicht?

Kurti: Natürlich wird auch die hohe Literatur durchstudiert, zum Beispiel Raymond Chandler, von dem muß man alle wichtigen Romane zwei- bis dreimal gelesen haben. Dashiell Hammet gefällt mir auch, und dann halt in der Reihenfolge weiter: Ross McDonald und so was alles.

OÖN: Auf dem Umschlag vom jüngsten Album ist eine Kurti-Wurst abgebildet. Gibt es die Wurst wirklich?

Kurti: Das ist durchkalkuliert worden von einer Firma, aber die haben das Risiko gescheut. Weil da braucht man Preßwerke, und die sind recht teuer.

OÖN: Aber eine solche Wurst wurde gemacht, oder ist die auf dem Album gefälscht?

Kurti: Die ist natürlich gemacht worden.

OÖN: Und wie war sie?

Kurti: Die haben wir vor lauter Ehrfurcht nicht essen können. Die haben wir immer gleich wieder eingekühlt für den Fall, daß wir noch ein Foto brauchen.

OÖN: Das wäre natürlich die optimale Wurst für die berühmte Kurti-Semmel. Hast du diese Semmel selbst erfunden?

Kurti: Die Kurti-Semmel ist von mir selbst entwickelt worden in jahrzehntelanger Kleinarbeit. Grundsätzlich liegt das Urmotiv für die Kurti-Semmel in meiner kargen Kindheit als Nachkriegskind, wo die Semmeln ein bis zwei Blatteln Extrawurst gehabt haben. Und das über viele Jahre hinweg. Das mußte dann tiefenpsychologisch ins Gegenteil umschlagen, daß man sich Semmeln mit tausend Kilo Wurst drin wünscht und sooo einen Ziegel Kas.


© 1992  Oberösterreichische Nachrichten

Last Updated: 31.05.99

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