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    ("Seine Kurtheit ordiniert wieder")


20. Februar 1994


KURIER, 20.02.1994, Seite 9, von Guido Tartarotti

SEINE KURTHEIT ORDINIERT WIEDER

Die Austropop-Kunstfigur Ostbahn.Kurti zieht den Ärzte-Kittel an, um gleich zwei (!) neue Live-CDs und ihren therapeutischen Wert zu bewerben. Ein Exklusiv-Gespräch über Politik, Kurt Krenn, die ÖBB und die österreichische Neigung zum Blues mit Herrn Ostbahn und Willi Resetarits, seinem Verkörperer und Alter ego.

Kurti, das Image:
Den bürgerlich vor sich hin dampfenden Kaffee läßt er rechts liegen. Statt dessen widmet er sich vorschriftsgemäß dem Bier und preist die Erfindung der Käsleberkäs-Semmel: "Ein telepathisches Lebensmittel. Der Gesprächspartner weiß stets, was man aß." Ein Mann und sein Ruf kämpfen gegen das Böse und den angeblichen Kater vom Vorabend.

Kurti, der Mediziner:
Herr Ostbahn ist - nach einem von niemandem ernst genommenen Schein-Rücktritt - wieder da, um die völlige Verkurtung des Landes voranzutreiben. Zu diesem Behufe ließ er sich von PR-Experten eine neue Rolle - die des Arztes - auf den Leib planen: Nun verordnet er als OMedR. Prof. DDr. Kurt Ostbahn der an Kurti-Entzug leidenden Nation seine neuen Live-CDs "Saft & Kraft" (elektrisch) und "Trost & Rat" (akustisch). "Die Österreicher können nicht so aus sich herausgehen. Bei unseren Heilveranstaltungen geht das wie bei einer US-Gospel-Messe."

"Ich bin ja jetzt der Herr Glaubwürdig. Wie kann eine erfundene Figur in Österreich die höchsten Glaubwürdigkeits-Werte haben?" - Kurt Ostbahn

Kurti, der Ministrant:
"Eine Messe erfüllt ja nicht nur religiöse Funktionen. Ich war jahrelang Ministrant, dabei habe ich viel über Show gelernt." Dennoch möchte er sich "streng dagegen verwehren", daß der St. Pöltner Bischof Krenn "Westbahn-Kurti" genannt wird: "Ein grobes Mißverständnis."

Kurti, der Gesellschaftsfähige:
Mit dem (selbstverliehenen) Professorentitel ist er in den Kreis der Wussows und Jürgens eingegangen. Wie fühlt sich der mit den Weihen der Etabliertheit Versehene? "Mit mir wurden auch Werte etabliert - grausliche Kaswurst essen, die ganze Nacht im Gasthaus sitzen. Österreich hat sich an mich angepaßt, net umgekehrt."

Kurti, das Vorbild der Heranwachsenden:
"Wenn ich mit Rechtsradikalen diskutiere, heißt´s "Bumm, da kommt die linke Sau". Und dann hören sie doch zu. Aber deshalb drehen nicht die Hundertschaften fehlgeleiteter Jugendlicher um. Sonst hätten es ja die Demagogen noch leichter." Sein Auftritt mit der angeblich bekehrten rechtsextremen Band Böhse Onkelz löste viel Kritik aus. "Wenn ich mich mit den politisch Korrekten treffe und sage, wie grauslich Ausländerhaß ist, dann ist das zwar sehr korrekt, aber es ändert nicht die Welt. Da mache ich mir lieber die Finger dreckig." Auch sein Engagement für "SOS Mitmensch" bereut er nicht: "Ich hab dabei gelernt, wie Politik geht. Die Politiker haben uns zuerst gegen den Haider gebraucht und uns dann im Regen stehen lassen."

Kurti, der Willi:
Das Verhältnis zwischen dem Familienvater Willi Resetarits und der von ihm verkörperten, früher extrem erdigen Kunstfigur Ostbahn.Kurti ist heute konfliktfrei. "Es kam zu einer Verschmelzung." Was es Willi auch erlaubt, als Kurt von der Bühne zu springen, um gewalttätige Zuschauer zu züchtigen. "Kurt vertritt die Ansichten vom Willi."

Kurti, das österrcichische Phänomen:
Die weitestgehende Erfolgsanalyse, zu der er sich hinreißen läßt, lautet: "Weil wir uns nix scheißen." Es dürfte eher an den Texten liegen, in denen vom Sushibar-Yuppie bis zur Friseurin aus Grammatneusiedl jeder seine Alltagssorgen wiederentdeckt. Dazu kommt die seltsame hiesige Neigung zum Blues. "Der Blues hat etwas Österreichisches, obwohl schwarze Rhythmen nicht an der Donau wachsen. Aber das Wienerlied - Moser, Heller, Qualtinger, Extremschrammler Neuwirth - das ist mit dem Blues verwandt."

Kurti, der Offizielle:
Eines Tages kam ein offizielles Schreiben der ÖBB. "Zur Klarstellung, daß wir den Namen einer ihrer Linien verwenden. Von rechtlichen Schritten werde aber abgesehen."

Gleich zwei Live-CDs von Herrn Ostbahn

Live-Platten gelten als Anzeichen dafür, daß dem Herrn Künstler momentan nichts einfällt. Das offizielle Dementi folgt umgehend: "Unsere Fans forderten eine Live-LP, da unsere Platten nie so gut seien wie die Konzerte. Weil die Leute halt mit den Augen hören." Nach dem hochfidelen Hintergrund-Lärm zu urteilen, haben sie vor allem mit Händen und Füßen gehört.

Die beiden neuen Tonträger heißen, ganz der medizinischen Vermarktungslinie entsprechend, "Saft & Kraft" sowie "Trost & Rat", sind wie Medikamente verpackt und präsentieren neben den üblichen Kurti-Standards "Zoitog" oder ,,57er Chevy" auch mehrere neue Songs. Mitgeschnitten wurde im BA-Zelt und im Vindobona. Wird auf "Saft & Kraft" noch elektrifiziert dem lauten "Favorit´n and Blues" gehuldigt, zog die "Chefpartie" für

"Trost & Rat" den Stecker und fidelte mit der vom Meister seit neuestem geforderten "Eleganz" ausg´steckt.

Wie das, unplugged? Ausgerechnet Kurti folgt der kurzlebigen amerikanisehen Mode des unverstärkten Musizierens? "Schon mein alter Freund von der Vogelweide hat unplugged gespielt. Außerdem können wir dieser kammermusikalischen Tätigkeit sitzend nachgehen." Keine Nebenwirkungen.

Wie alles begann: Die Geschichte des O.

Das erste Gesicht, das der Ostbahn-Kurti trug, war das des TV Sprechers Erich Götzinger. Er verkörperte die Nebenfigur, die der Musikjournalist Günter Brödl für sein Stück "Wem gehört der Rock ´n´ Roll?" erfunden hatte, 1978 im Wiener Theater der Jugend.

Bald darauf begann Brödl Texte zu schreiben, die ein tatsächlich existierender Ostbahn Kurti singen würde. Diese Texte, meist eingewienerte Springsteen Songs. wurden sogar von einem "Internationalen Dialektinstitut"´ veröffentlicht.

Als nächsten Schritt gab Brödl seiner Figur ein Vorleben (geboren in Simmering, arbeitsloser Elektroinstallateur). Wie der Sänger der Musik-Kabarettgruppe Schmetterlinge, Willi Resetarits, zum Kurti wurde, darüber kursieren selbst unter Kurtologen verschiedene Versionen. Am 1. April 1984 mietete man dann die "Szene Wien" plakatierte ein Konzert "Ostbahn.Kurti und die Chefpartie" und hängte das "Ausverkauft"-Schild an die Tür. Drinnen lief Musik vom Band. Zusammen mit der stilgerechten Verwüstung des Saales sorgte das für die nötige Mundpropaganda.

Brödl plazierte sogar Inserate im "Falter", in denen nach erfundenen Früh-Platten von Kurti (etwa "Ollas wos i brauch" bei "Tilt.Records") gesucht wurde. Die erste echte LP (bei Ariola) verkaufte 3000 Stück, mit dem Wechsel zu PolyGram begann der Erfolg. In der Saison 1990/91 schätzte man den Umsatz der "Chefpartie" auf 30 Millionen S.

Hatte sich Willi Resetarits in seiner Anfangszeit als Kurti noch möglichst wild und versoffen zu präsentieren, korrigierte man das Image später "auch durch den Klimawechsel im Land ausgelöst" (Resetarits) in Richtung politisch korrekter Rock-Onkel.

Zur "Chefpartie" zählen "Prinz" Karasek und Lilli Marschall (Gitarre), Charly Horak (Baß), Mario Adretti (Orgel) und Dipl.-Ing. Eduard Jedelsky (Schlagwerk). Auch ihre Charaktere sind kunstvoll erfunden.


© 1994  Kurier

Last Updated:   30. Januar 1999

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