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    ("10 Jahre Kurt)


??. März 1994


NEWS 9/94, ??.03.1994, Seite 120 f, MUSIK von Peter Leopold

10 Jahre Kurt

Ein Schmäh mit Hit-Qualitäten macht sich selbständig.

Alles nur Schmäh. Aber einer, der jetzt schon in sein zehntes erfolgreiches Jahr geht: 1985 veröffentlichte die nicht existente Simmeringer Rock-´n´-Roll-Figur "Ostbahn Kurti" - mit bürgerlichem Namen Willy Resetarits von den "Schmetterlingen" - die erste LP. Heuer feiert man Jubiläum: Das Jahr Zehn des rauhen vorstädtischen Sangesbruders wird mit zwei in diesen Tagen erschienenen Live-CDs begangen: "Trost & Rat" (16 Lieder von "Chili con Carne" bis zum ,,57er Chevy" allesamt "unplugged"); sowie "Saft & Kraft" (ein Dutzend Lieder von "Da Joker" bis "Wos wü de wüde Hilde?" mit voller elektrischer Ausrüstung).

Von seinen Imageberatern als Arzt gestylt empfängt Prof. DDr. Kurt Ostbahn den NEWS Redakteur zum Interview in einer in den Räumen seiner Plattenfirma eingerichteten improvisierten Ordination. Der Interviewer ist zu Recht mißtrauisch.

NEWS: Wer hat Ihnen eigentlich Ihren akademischen Titel verliehen?

Dr. Ostbahn: Na ja, den Professor und den Ehrendoktor hab ich mir in Würdigung meina großen Verdienste söba verliehn. Weil i bin ja ka Idiot, und ich seh, was ich leist´ für die Öffentlichkeit. Ich bitt´ Sie, Herr Redakteur, das muß doch möglich sein. Und den zweiten Doktor, den in Önologie, in Weinkunde, den hat mir der Bürgermeister von Podersdorf verliehen. Für meine Verdienste um die österreichische Weinwirtschaft.

NEWS: Und da hat sich noch nie ein akademischer Titelträger aufgeregt?

Dr. Ostbahn: lch hab schon befürchtet, daß sich niemand aufregt, aber dann ist zu einer Jugendiskussion in Simmering eine FPÖ-Bezirkspolitikerin gekommen. Der einzige. Fehler, den die gemacht hatt war, daß sie zu mir gesagt hat: "Sie sind ja gar kein Doktor, was haben Sie denn für einen Doktortitel?" Na, was soll i sagen. Brüllendes Gelächter. Die is dann bald gegangen.

NEWS: Sie veröffentlichen derzeit zwei einzelne Live-CDs statt eines Doppelalbums. Warum?

Dr. Ostbahn: Eigentlich is ja eine CD scho so laung wia a Doppelalbum, durch die Erfindung der CD hamma doppelte Arbeit. Wir wolltn den direktn Vergleich ham. Was woin die Leut mehr, des akustische oder des elektrische Element?

NEWS: Eine der CDs ist "unplugged". Sieht Ostbahn MTV?

Dr. Ostbahn: Die "Unplugged" - Gschichtn auf Emtiwi hob i söwa nie gsehn. Man muaß jo net Emtiwi schaun, um zu wissn, wia ma a Akustik-Gitarr spielt. Des ham unsere Gitarristen schon vorher können. Aber i muaß fairerweise zuagem: A bißl a Anstoß is aus dera Richtung scho kumman.

NEWS: Rund die Hälfte der insgesamt 28 Live-Lieder gab es bisher auf keiner Ostbahn-Platte - und fast alle neuen Lieder sind nicht mehr Coverversionen von Rock-´n´-Roll-Klassikern, sondern selbst komponierte Nummern.

Dr. Ostbahn: Wir haben jetzt ein Verhältnis, das uns klug erscheint: die Hälfte Coverversionen, die Hälfte Eigenes. Rock ´n´ Roll is ka innovative Musik, sondern a traditionelle, und unsere eigenen Liada miaßn da mithaltn kennan. Aus Respekt hamma da bisher zu wenig söwa gemacht. Oba i sag jetzt etwas, das no geheim ist: Die nächste Platte, so in anahoib Joa, soi hundatprozentig eigene Werke beinhalten.

NEWS: Damit dadurch mehr Geld in der eigenen Kasse bleibt?

Dr. Ostbahn: Wir haben unser Projekt jenseits von finanziellen Begehrlichkeiten gestartet und sind draufkommen, daß des unsa Erfolgsgeheimnis is. Wir suchen ziemlich stark, was uns Spaß macht. Wenn wir geldgierig werden, dann is des wie der Blick zurück vom Orpheus, der eam ins Verderben reißt. Na, wir mochn des, wäus grod notwendig is. Wir gehn net von dem aus, wos ma von uns erwartet, sondern wir behaupten, daß der Konsument sich immer auf des eingstellt hat, was wir gmacht ham.

NEWS: Eines Ihrer Erfolgsgeheimnisse ist auch, daß Sie eine "erdige" Publikumsschicht genauso begeistern wie eine intellektuelle. Es gibt Leute, die sagen, daß letzteren Ihr Schmäh nach zehn Jahren langsam fad wird ...

Dr. Ostbahn: Wir machen, was uns Spaß macht, und vertrauen, daß wir, wenn uns was fad wird, das automatisch ändern. Den Rest überlass´ i dem Zufall.

NEWS: Ist es denkbar, daß der Ostbahn-Kurti eines Tages aufhört, auswandert, stirbt, oder aus sonst einem Grund seine Karriere beendet?

Dr. Ostbahn: Das sind Überlegungen, die man tatsächlich anstellt. Das momentane Ergebnis davon ist, daß der Spaß daran noch so groß ist, daß der Ostbahn-Kurti noch gern im Dienst der Öffentlichkeit tätig ist.

NEWS: Immer wieder auf Ihrer Bühne zu sehen: der Griff zum Alkohol. Sollte sich das ein zum Idol für viele, auch junge Menschen gewordener Akademiker nicht überlegen?

Dr. Ostbahn: I sag ja net, daß i a Engel bin. Natürlich war ich schon betrunken bei Konzerten, aber mei Berufsethos verlangt, daß i den Auftritt anständig erledig. Einmal, bei den Aufnahmen zu diesen Platten hab i Stimmprobleme ghobt und vier Tog nua Tee trunken. Alkohol is net da Punkt bei unserer Gschicht, sondern der is a private Sache. Außerdem saufen a Ärzte und Politiker und i waaß net was no.

NEWS: Wo hängen eigentlich Ihre Gold- und Platinplatten?

Dr. Ostbahn: Na, i hob in meina Wllhnung im 15. Bezirk, Reindorfgasse 2, 3. Stock, net weitasogn, bitte, so a klans Zimmerl, wo i manchmal hingeh, des is scho ganz voll, weil´s ja a klana Raum ist. Des Häusl praktisch, oba des woi ma liaba net sagen.

NEWS: Und die Deutschland-Karriere des Wiener Ostbahn-Phänomens?

Dr. Ostbahn: Da gemma den mühevollen und lustvollen Weg über Live-Auftritte statt an Single-Hit. Im Raum Bayern und Baden-Württemberg hamma schon an Namen im mittelgroßen Rahmen, im Norden gibt´s gnua Fans oder Chefheads oder Kurtologn für Clubs. Aber wir gehen davon aus, daß wir Norddeutschland nicht erobern werden. Weil des wär a Mißverständnis. Die kennan net verstehn, was wir reden, und scho überhaupt ned, was wir zwischen den Zeilen sagen wollen.

News: Kürzlich haben Sie mit einem Leseabend das Wiener "Vindobona" gefüllt. Hat diese Art von Ostbahn-Kurti-Auftritten Zukunft?

Dr. Ostbahn: lch weiß es nicht. Das war ein Versuch, der söbst zu meinem Erstaunen und dem von Leuten, die net unkritisch zum berühmten Dr. Ostbahn aufschaun, gelungen ist. Ich hab aus einem Telefonbuch und an g´stohlenen Gebetbiachl vorgelesen, dazwischen natürlich aus meinem Leben erzählt. Unvorbereitet. Des geht auf die Substanz, und des mach ich sicher net auf groß. Oba amoi an so an Text schreiben und auf Tour gehen ... Des kann i net ausschließen.

NEWS: Und der ständig im Gespräch befindliche Ostbahn-Kurti-Film?

Dr. Ostbahn: Unsa liabstes Projekt, und deswegn verzögern mas dauernd. Des schenste is, wenn ma si trifft und Pläne spinnt. Da muaß ma no net wirklich hart arbeiten.

INTERVIEW: PETER LEOPOLD


Die Wahrheit über Kurt O

Wer wann warum den Ostbahn.Kurti erfand und wie das Konzept weiterentwickelt wurde.

Eigentlich wurde Ostbahn 1978 erfunden: Der Journalist Günter Brödl, 39, kreierte diese fiktive Musikerfigur für das von ihm verfaßte Theaterstück "Wem gehört der Rock ´n´ Roll?" - auf der Bühne stand dafür der spätere TV Sprecher Erich Götzinger. Brödl verliebte sich in sein Kind und erfand im Nachhinein dessen Vergangenheit: Demnach ist der Ostbahn-Kurti ein in Simmering geborener gelernter Elektromechaniker, der nach einer Rock´n´Roll Karriere von ´73 bis ´79 quasi anonym als Haustechniker bei einem Musikverleih arbeitete.

1985 fand Brödl im "Schmetterlinge"-Sänger Willi Resetarits den idealen Kurt, die heutige "Chefpartie" wurde gegründet. Um die Legende anzuheizen, wurde in Zeitungen per Inserat nach zwei (erfundenen) Kurti Platten gefahndet, für einen Abend mietete man die "Szene Wien", hängte das Schild "Ausverkauft" an die Tür und tat drinnen im leeren Saal (als Gesamtkunstwerk von der Musik bis zu den zertretenen Bierbechern am Boden) so, als ob ein volles Konzert stattfände.

Im 1985 erschien die erste (wirkliche) LP ,,Ostbahn Kurti", die Single "Feuer" wurde zum ersten Erfolg. Seither erschienen: "Ostbahn Live" (´85), "A schene Leich" (´88), "Liagn & Lochn" (´89), "1/2 so wüd" (´91), "A blede Gschicht" (´92) und jetzt "Saft & Kraft" bzw. "Trost & Rat". Neben Brödl und der Chefpartie arbeiten Manager Günter Großlercher und Konzertmanager Erich Schindlecker (organisiert auch das "Merchandising", d. h. die T-Shirts und andere Kurt Artikel) regelmäßig an der Kunstfigur Prof. DDr. Kurt Ostbahn.


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Last Updated:   05. April 1999

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