("Das erste Mal")
10. September 1995
Erste Begegnung: Ostbahn-Kurti & sein Erfinder Günter Brödl
Der Kurti in jedem Mann
Angeblich so Dr. Ostbahn steckt in jedem Mann ein Kurti. Erfunden wurde er vor zehn Jahren von Günter Brödl. Bis er in Willi Resetarits´ Körper schlüpfte. Nun schreitet die Verostbahnung mit neuer Platte und Kriminalroman voran.Willi Resetarits:
Vor 46 Jahren als mittlerer Sohn einer Kroatenfamilie in Stinatz geboren. Da war Kurt Ostbahn schon in ihm. Gymnasium, später Studium von Englisch und Sport, Gründung der Politgruppe "Schmetterlinge". Vater von zwei Kindern mit Beatrix Neundlinger. 1983 trifft er Günter Brödl, da läßt er Ostbahn erstmals raus. Sieben Jahre später, nach Platten, Auftritten, Alkohol, ist laut Brödl das Verhältnis Resetarits zu Ostbahn-Kurti nur noch 30:70. Und heute? "Sind sie nicht zu unterscheiden.""Wo ma uns ausgiebig g´sehn ham und g´redt ham, des woar im Café Grillparzer, des jetzt zua is, glaub i. I hab durt ordiniert. A scheens Kaffeehaus, a bissel og´sandelt, mit fünf verkauften Mittagsmenüs und so Damen die vom Ober über die Schwelle getragen wurden. Da ham der Günter und i uns troffen, weil er mi um Rat fragen wollte - weil der Ostbahn eine Stimme bekommen sollte. Der bestand damals nur aus Papier, eine literarische Figur. I woar in an rechten Dilemma, weil i wollt mi selber vurschlagen. I hab´ ma dacht, i war ideal. Was die Jahre bestätigt haben: I bin mei eigene Idealbesetzung..
Wir brauchen keine Freundschaftsrituale.. Daß ma net scheen griaßt - i find des guat, wenn des beide tuan. Und dann verbindet uns, daß wir net so resolut Sachen in die Hand nehmen, sondern es uns wünschen mit stiller Beharrlichkeit. Irgendwann passiert es dann. Und man vergibt sich auch nichts, wenn´s net geht. Des Ostbahnkurti-Dasein woar nie a Beruf, immer a Spaß. Des is a wunderbar: reich und berühmt, ohne sich anzustrengen.
Wir verbringen unsere Freizeit, um über den Kurtl zu reden und ham ihn uns herg'richt. Die Figur hat sich unmerklich in Richtung von meiner Persönlichkeit verändert. Des is die wunderbare Begabung vom Brödl: die Songtexte san immer mehr aus meinem Mund kumman. Sozusagen: i hab G´schichtln erzählt und sie dann in an Songtext wiederg´funden.
Bei so einem Auftritt red´ i zwischen die Lieder vül. Die G´schichten san von mir, die Songtexte san von ihm. Sodaß i den Eindruck hab, i derf eh a was machen. I bin net nur des Objekt seiner Geisteswelt. Außerdem gibt es auch die Vorostbahnwelt noch, die ein Korrektiv dazu ist, daß ich bekannt und berühmt bin. Die würden mich am Boden halten, wenn ich abheb´, aber ich tu´s ja net, weil ich so klug bin.
Was der Günter und ich gemeinsam haben ist das Unterfutter, des solche Figuren wie den Ostbahn-Kurti gebiert: wir wollen a bisserl so sein - laut, wild, gefährlich. Ein Cowboy, Tschick lässig im Mundwinkel. Ganz viele Männer haben diesen Wunsch: wortkarg durch die Städte gehen, am Asphalt sich gefährlich bewegen. Wir ham aber die Ironie dabei. Cool und lässig oba a bissel des Hosentiarl offen, ohne daß man es merkt. Wir ham uns die Pubertät eing´wachsen bis zum Sterbebett. Des wird immer lächerlicher, je stärker einen das Zipperlein plagt. I denk auch übern Alkohol nach, des is a ritualisiert. I sag immer: wer lang trinkt, lebt lang. Mit anderen Freunden tua i weinen, Schnaps trinken, bis er uns aus den Augen rinnt, philosophieren übers Leben. Mit dem Brödl is lakonischer wie im Western."
Günter Brödl:
Geboren 1955 in Wien, Schule bis zur siebenten Klasse Gymnasium mit Erfolg. 1973: das erste Buch veröffentlicht. Davon kann er nicht leben. Als Radiojournalist bei der "Musicbox" gearbeitet. Nach- dem er ein fiktives Konzert des Dr. Kurt Ostbahn initiiert hat, trifft er 1983 endlich Willi Resetarits. Songtexte, vier Theaterstücke, Drehbücher, zwei Romane (der Krimi "Blutrausch" kommt nächste Woche heraus), Kurzgeschichten, zwei Töchter (17, 12); lebt in Wien und Teneriffa mit seiner Lebensgefährtin."Einen Jahrestag, an dem wir uns kennengelernt haben, gibt es nicht, weil datumsmäßig san ma ganz schlecht. Es gibt auch keine Rituale. Hin und wieder schenken wir uns was. Zuletzt hat meine Freundin was für ihn gefunden: einen Schirm, den man auf Flaschen setzt, damit das Getränk nicht so schnell warm wird.
Gesehen habe ich den Willi zum ersten Mal mit den "Schmetterlingen" in den 70er Jahren, dann bei der Arenabesetzung. Ich als Radioreporter, er der Aktivist. Privat getroffen habe ich ihn zum ersten Mal im Café Grillparzer, 83 muß das gewesen sein.
Ich hatte den Ostbahn-Kurt im Kopf und wollte Willi fragen, mit wem ich ihn im wirklichen Leben besetzen kann. Ich hatte aber den Eindruck, daß er glaubt, daß ich ihn frage, ob er Ostbahn-Kurti sein will. Er sah den Ostbahn-Kurti in sich selber: diesen nicht korrumpierbaren. Rock´n´Roll-Musiker. Ich war erstaunt, dieses Rock-Urviechmäßige hätte ich ihm nicht zugetraut, da er ja immer Politsongs brachte und hochdeutsch gesungen hat. Aber dann erzählte er mir von seiner Jugend in Simmering, plötzlich wurde eine papierene Figur lebendig. Am Anfang, als der Ostbahn-Kurti noch Hobby war, ist Willi drei Stunden in den Kurtl geschlüpft. '92, auf der Tour, ist der Willi immer weniger geworden und der Kurtl immer mehr: so 70:30 Prozent.
Ich habe den Kurt Ostbahn aus Songs von Springsteen bis Dylan zusammengekleistert. Jahrelang habe ich für eine fiktive Figur Songtexte geschrieben. Auch das Konzert in der Szene-Wien war Fiktion: Es war plakatiert, das Lokal gemietet und ich hab' mit Freunden Platten gespielt. Aber an der Tür hing das Schild "Ausverkauft". Das erste echte Konzert war am Schutzhaus am Schafberg eineinhalb Jahre später. Plötzlich hat jeder den Ostbahn-Kurti gekannt. Leute san kumman: Ja, ich hab' des Konzert gesehen, 75. Da hat es ihn noch gar nicht gegeben. Aber jeder darf an dieser Geschichte ja mitschreiben. Ein neues Kapitel ist der Roman "Blutrausch". Da liegt Ostbahn-Kurti auf der Bettbank, erzählt dem Trainer, der ich bin, etwas aufs Band, das der am Computer aufschreibt. Aber weil es fad ist, spitzt er es mit Morden zu. I schreib in Ich-Form, dabei bin ich eigentlich er.
I bin der Trainer für den Kurtl und die Band, das gibt es sonst nur im Sport: Ich beobachte und sag´, was mir gefällt. Der Willi und ich, jeder hat eine Hälfte, wenn man die zusammentut, kommt der Kurti raus. Und dann bleibt noch die weiße Seite vom Brödl und die weiße Seite vom Kurtl und die unterhalten sich g´scheit über den Ostbahn-Kurti, philosophieren und staunen, warum der soviel trinkt und nicht nach Haus kommt drei Tage lang."
© 1995 Kurier | Last Updated: 28. 05. 1998 |
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