("Daham
in da Goss'n")
17. Jänner 1998
Für W. Resetarits ist es ein Glück, daß er Dr. Ostbahn getroffen hat. So kann er einmal Kurti, einmal Willi und doch stets derselbe sein. Mit beiden gingen wir durch Favoriten.
Ganz unta uns, i sog wias is: I wolltat nia wos anders; imma in Funk & Fernsehen sei, auf Posta, Büdln und Elpi; wollt imma scho, daß ma mi kennt und daß olle wissen: Se san DA DINGS, der ausn Fernsehen, DA DINGS ausn TIWI."
Dr. Kurt Ostbahn ist einer, den man kennt. Den man ob seines Schmähs mag, ob seiner Chuzpe schätzt und ob seines geistvollen Augenzwinkerns bewundert. Mit einem Wort: Der Ostbahnkurti ist für viele Fans die Personifizierung ihrer eigenen Wünsche. Und er ist derjenige, den man kumpelhaft, vielleicht sogar ein wenig respektlos mit "Servas, Kurti!" grüßt.
Als wir Willi R. treffen, sagen wir: "Grüß Sie Gott, Herr Resetarits!" Denn nicht dem Kurt O., der uns von der "schenen Leich" oder dem "Bluatrausch" bekannt ist, wollen wir begegnen, sondern Willi R. "Griaß Eana", gibt der Mann in der schwarzen Lederjacke zurück.
Bei diesem Spaziergang beginnt die Biografie 1951, als er als "dreijähriger, katholischer österreichischer Kroate" aus dem burgenländischen Stinatz nach Wien übersiedelt.
Übrigens: Manchmal ärgere es ihn, daß er "ein osmotischer Sprechertyp" sei, denn immer wieder gelinge es Menschen, ihn ins schönbrunnerische Wienerisch hinüberzulocken. Das ist jene Sprache, in der das von Dr. Ostbahn häufig verwendete Wort "Oasch" erst gar nicht vorkommt.
Humboldtplatz 10. Wir betreten das Haus jugendlicher Erinnerungen. Willi R. tut es seit 1961 zum ersten Mal, und im Staunen darüber, wie wenig sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Noch immer läßt sich von Stockwerk zu Stockwerk der mittägige Speisezettel per Nase eruieren, und noch immer sind es dieselben Verordnungen, die das Leben regulieren: "Die Haustüre ist ab 20 Uhr abzusperren", "Haltung von Haustieren verboten". Neu seien nur die Briefkasteln und die Tatsache, daß das Stiegenhaus, der Hinterhof, kleiner geworden seien. Doch dies ist keine Frage baulicher Veränderungen, sondern eine der Erinnerungen.
Zimmer-Küche-Kabinett
Auch wenn Willi, das Kind, seine Welt als ausreichend groß empfunden haben mag, tatsächlich war sie winzig. Aber zumindest Schutz bot die Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung ausreichend. Etwa gegen jenen Nachbarn, der wegen einiger Biere zuviel oft nur schwerlich seinen Wohnungsschlüssel handhaben konnte und (darüber verärgert) an das sich ins Stiegenhaus öffnende Kabinettfenster geklopft hat: "Krowoten, geht's ham!" Da half der Familie Resetarits auch die österreichiche Staatsbürgerschaft nicht. Für den echten Wiener waren und blieben sie Ausländer, denn sie gehörten als Kroaten nicht zur deutschen Volkskultur. Der Krieg war eben noch nicht lange vorbei, und die Entnazifizierung hat diese kleinen Leute ohnehin nie erreicht. "Wiagst ois obe, schluckst de Krot, loßt es guat sei, a wanns oasch ist, weu es is halt so, und so bist es gwohnt", heißt es dazu resignativ in "Feia am Doch".
Das einzige Gegenmittel, das die Eltern Willi und dessen älterem Bruder Lukas, dem heutigen Kabarettisten, einbleuten, war: Lernt möglichst rasch und akzentfrei Wienerisch. Dann, so glaubten der Maurer und die Hausfrau, dann "gehöre man nämlich dazu". Der Irrtum dieser Annahme wurde Mutter Resetarits klar, als sie im November 1995 mit einer Briefbombe bedacht wurde. "Krowoten, geht's ham!" Für viele gehört man eben nie dazu, nicht in den 50ern, nicht in den 90ern.
Willi Resetarits hält plötzlich inne, als er aus dem Fenster des Stiegenhauses blickt. "Es war schon eine ärmliche Welt", sinniert er. "Viele tun heute so, als ob sie in einem Schloß aufgewachsen wären. Und das nur, weil sie sich handgemachte Schuhe leisten können. Sie vergessen ihre Vergangenheit, ihre Abstammung, anstatt stolz darauf zu sein, wie weit sie es gebracht haben."
Vielleicht ist es gerade diese nachvollziehbare Geradlinigkeit, die sich für nichts schämt, die die Fans am Ostbahnkurti derart begeistert, daß sie ihm treu anhängen. Unter der Fangemeinde der "Kurtologen" gibt es immerhin Leute, die 200 Konzerte ihres Leitbildes besucht haben.
Diese "ärmliche Welt" war zumindest bis zum Abzug der Russen im Jahr 1955 (danach entwickelte sich im zerbombten Wien eine reiche Bautätigkeit) eine abenteuerliche. Kaum ein Haus, das nahe der militärisch wichtigen Ostbahn nicht einen Bombentreffer abbekommen hätte. Es gab abrasierte Fassaden, noch nicht weggeräumte Schutthaufen, da und dort kleine, selbstgezimmerte Zubauten. Sie alle dienten den Kindern zunächst zum Versteckenspiel und zur "blinden Kuh".
Bald beflügelt die "Gstättn" aber auch die Phantasien. Sie wurde zu jenem Ort, an dem unter Anleitung der "Schlurfe" aus der Umgebung die ersten Zigaretten geraucht und die ersten Berührungen zwischen Pubertierenden ausgetauscht wurden. Und an denen die Fünf-Schilling- "Heftln", wie zum Beispiel "Micky Maus", heimlich von Hand zu Hand weitergegeben wurden. Sie waren damals übrigens derart als "Schund" verpönt, daß sie vom "Buchclub der Jugend" noch öffentlich verbrannt worden waren.
In jedem Fall war es die Welt der Kinder, in der die Erwachsenen nichts anderes erblicken konnten als den Schutt, den es möglichst rasch wegzuräumen galt.
Zum Wurlitzer beim Wirt'n
Ordnung wollten die Eltern schaffen und natürlich auch Platz, etwa für Bretterverschläge, hinter denen so manch armes Hausschwein gezüchtet wurde. Von den Kindern traktiert, von der Sonne sowie von einer freien Wiese abgeschnitten, wartete das Tier ein Leben lang auf den erlösenden, aber wenig fachkundigen Todesstich irgendeines Hobbymetzgers.
"Vom Wirt'n haben die Kinder die Küchenabfälle geholt, um die Tiere zu ernähren." Zum Wirt'n wurde auch Willi häufig geschickt, um dem Vater ein paar einzelne Zigaretten oder ein Bier im Krug zu besorgen. Selbst ins Gasthaus sei der Vater erst später gegangen. Nämlich erst, als es dort den ersten Wurlitzer gegeben hat.
Mit der Juke-Box kam dann auch der soziale Aufstieg. "Meine Eltern haben beim Wirt'n in den Sparverein eingezahlt und nebenbei von den 5-Schilling-Stücken, die wir gespart haben, eine Bettbank gekauft." Diese seien damals aufgekommen und hätten zunehmende Prosperität signalisiert.
Leisten hätte sich dies Resetarits senior, mittlerweile Vater von drei Buben, nicht können, hätte er sich nicht eifrig vom Maurer bis zum Baumeister emporgearbeitet. Arbeit, Erhalt der Familie und zusätzliche Fortbildung hätten aber so gezehrt, daß er "tot war, als er sein Ziel erreicht hatte". Aber glücklich sei er darüber gewesen, das erreicht zu haben, was ihm keiner zugetraut hatte. Auch dies war eine Methode, der kleinen Welt zu entfliehen.
Abschied von der Kirche
Geprägt war die Woche von zwei Großereignissen: dem Freitag, als die Familie ins Amalienbad ging, um die Großreinigung vorzunehmen. Und vom Sonntag, an dem man in der Kirche zum "Johannes, dem Evangelisten" den katholischen Gottesdienst besuchte. Denn katholisch hatte man als Kroate zu sein, und katholisch sei man auch gewesen, erinnert sich Resetarits. Damit setzte man ein Signal, auf welche Seite dieser in "Schwarz und Rot geteilten Welt" man gehörte. Ein Wechsel wäre einem Verrat an der eigenen Familie gleichgekommen.
Auch für Resetarits sollte es bis 1968 dauern, bis er aus der Kirche austritt und ganz in den sozialromantischen Träumen der Weltrevolution aufgeht. Aber zunächst lebt er noch in der traditionellen Welt. In ihr ist Willi als Ministrant fest verankert. Der Dienst am Altar, dieses Herausgehobensein, habe ihm schon gefallen. Vor allem auch deswegen, weil er in der Maiandacht "supercool dreinschauen" konnte. Vorausgesetzt, es waren Mädchen in den Kirchbänken.
Er selbst habe sich von der Kirche verabschiedet, als er, der "Sohn eines Proletariers", bemerkt habe, wie die Kirche "mit den Arbeitern umgegangen sei". Das Ergebnis dieses Erkenntnisprozesses ist "Die Proletenpassion".
Ende des Spaziergangs. Aus Sympathie, vielleicht auch nur aus Sentimentalität, bitte ich hochdeutsch um das Du-Wort. Freudig verfällt er in den Wiener Dialekt: "I hob' mi scho gwundert, daß ma die gaunze Zeit per Sie warn."
Also: "Grüß dich, Willi, servas Kurti! Und daunk da schön fürs Gespräch."
© 1998 Oberösterreichische Nachrichten | Last Updated: 31.05.99 |
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