("Das Integrationshaus")
9. Oktober 1998
Source: Die Presse, 09. 10. 1998
Das Integrationshaus
Die fatale Doppelgleisigkeit der Flüchtlingspolitik.
VON DORIS KNECHTs war nur ein kurzer Moment der Verwunderung, als man WILLI RESETARITS, besser bekannt als Kurt Ostbahn, vor einiger Zeit zum ersten Mal im Werbefernsehen sah: Bevor man ,,Was! Der Ostbahnkurti macht jetzt Wer. . . ." fertigdenken konnte, erschien im unteren Teil des Schirms eine Inschrift, die darüber informierte, daß des Ostbahnkurti Honorar für diesen Spot an das Wiener Integrationshaus gespendet wird. Kürzlich konnte dieses Integrationshaus das dritte Jahr seines Bestehens feiern. Was die Initiatorinnen und Initiatoren rund um WILLI RESETARITS unter Integration verstehen, haben sie dort mit Entschlossenheit und ungeheurem Engagement vorgeführt, und sie können es in Zahlen belegen: Mehr als 200 Flüchtlinge sind aus den Wohnungen mit den insgesamt 120 Schlafstellen schon wieder ausgezogen: Sie wohnen jetzt in den eigenen vier Wänden, für die sie mit selbstverdientem Geld Miete zahlen. Vor allem Familien und alleinerziehende Mütter fanden im Integrationshaus eine erste Unterkunft. Sie wurden sozial und medizinisch intensiv betreut, sie lernten in Sprachkursen Deutsch, Berufsorientierungskurse halfen ihnen beim Einstieg ins Arbeitsleben, ihren Kindern wurde geholfen, sich in den Schulen zurechtzufinden. Der Wert des Integrationshauses läßt sich an jenen ersehen, die es nicht mehr brauchen. Letzten Dienstag besuchten Kanzler Viktor Klima, Sozialministerin Lore Hostasch und Innenminister Karl Schlögl das Wiener Integrationshaus, und gaben ihm die 4,2 Millionen Schilling Subvention für die Berufsförderungskurse zurück, die das Arbeitsmarktservice zuvor aus budgetären Gründen gestrichen hatte, lobten die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ließen sich lächelnd mit Flüchtlingen photographieren. Währenddessen mußte Manfred Matzka, Sektionschef im Innenministerium, sein EU-Flüchtlingspapier ein wenig umformulieren: In der ersten Fassung hatte Matzka ,,eine Revision bzw. Ergänzung der Genfer Flüchtlingskonvention" für vernünftig erklärt. Genau das ist es, was WILLI RESETARITS immer wieder kritisiert: Daß den Initiatoren eines Projektes wie dem Integrationshaus ständig auf die Schulter geklopft wird, daß das Haus Preise und Auszeichnungen erhält und in der EU als exemplarisch vorgeführt wird, daß einmal im Jahr ein paar politische Würdenträger vorbeikommen und glücklich und stolz lächeln ob so viel gelungener Integration. Während nebenbei Asylsuchende mit brutal verkürzten oder endlos in die Länge gezogenen Verfahren drangsaliert werden, während man gleichzeitig Flüchtlinge in die Illegalität und zur Schwarzarbeit zwingt, indem man zwar zugibt, daß sie schutzbedürftig sind, weil sie in ihren Heimatländern verfolgt werden, ihnen aber keinerlei finanzielle oder soziale Unterstützung zukommen läßt, während man die Grenzen lückenlos dichtmacht für alle, die hereinkommen wollen, weil sie in ihren Heimatländern nicht mehr überleben können. Etwa 300.000 Kosovo-Albaner sind nach Schätzungen des UNHCR derzeit auf der Flucht. Sie wollten gar nicht weg von dort, wo sie gelebt und gearbeitet haben, wo ihre Kinder zur Schule gingen. Sie wurden vertrieben. Noch versuchen die meisten der Flüchtlinge innerhalb Jugoslawiens Zuflucht zu finden, aber die Situation wird immer kritischer. Etwa 50.000 von ihnen nächtigen derzeit im Freien. Eine politische Lösung läßt auf sich warten. Es wird Winter.Es reicht nicht, die Wangen der Flüchtlinge im Wiener Integrationshaus zu tätscheln und ihnen alles Gute zu wünschen. Man sollte auch denen Gutes wünschen, die gerade auf der Flucht sind. Die reichen EU-Länder müssen den gedemütigten Fliehenden aus dem Kosovo wenigstens vorübergehend Schutz und Hilfe anbieten. Sonst bleiben die schönsten Integrationshäuser nichts als winzige grüne Inseln inmitten grauen Flüchtlingselends.
© 1998 Die Presse | Last Updated: 27.12.99 |
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