("A Schreiberling wia ma
hoit so sogt")
20. Dezember 2000
DER STANDARD
Kurt Ostbahn über seine zwei alten Egos Günter Brödl und Willi Resetarits
A Schreiberling, wia ma hoit so sogt
Als Günter Brödl ging, hinterließ er seinen Freunden Willi und Kurti einen Reiseführer, auf dass sie ihn finden, wenn sie ihn suchen, weil sie ihn brauchen: "Rehpublik Österreich". Von dort betrachtet Brödl "die jüngsten Entwicklungen, stets aufm Sprung, sollten die Jäger und Fallensteller nebenan an die Regierung kommen".
Nebenan, das ist Österreich. Nebenan, das ist nachbarlich und daneben. In der Nummer "Reserviert fia zwa" von Günter Brödl kommt eine Zeile über ein Reh vor, groß genug "fia zwa", das dem Einsamen serviert wird. Brödl und der Zeichner Ronald Putzker bauten den Schmäh zu einem Buch aus. Willi Resetarits schaut beim Fenster hinaus auf die graue Landstraße, wenn er vom letzten Buch des toten Freundes erzählt. "Er hat alle Projekte fertig gestellt. Das war wie eine Vorahnung. Texte sind da, ich muss nur zum Komponieren anfangen." Ein zweiter Ostbahn-Film ist nach einem Brödl-Roman ("Hitzschlag") vorzubereiten.
Resetarits: "Ich hab' mich das nie sagen getraut, bis ich sowas vom Billy Wilder gelesen hab'. Der hat beim Schreiben den Raum durchmessen, während ein Zweiter bei der Schreibmaschine gesessen ist. Mit dem Günter war das so."
Die "Rehpublik" ist das Ergebnis der "spielerischen Serie" mit Brödl. Nur ja "nix Angestrengtes, die Ideen kumman quasi gratis beim Blödeln in der Freizeit", der letzte Schliff "ist dann schon a bisserl a Arbeit", aber das Verbissene wird fern gehalten.
Die gesellschaftskritische Komponente der "Rehpublik", entspringt "wie immer seinem Sein, das ist er, er will nicht missionieren". Die Rehpublik erinnert freilich nicht zufällig an Österreich, auch geographisch. Sie wird von der kleinsten Spezies der europäischen Hirsche bevölkert, die Elche beispielsweise sind viel größer und gröber, allerdings eine Minderheit. Die große Mehrheit der sanftmütigen, zur Monogamie nicht geborenen, von der Arbeit leicht ermüdbaren Rehpublikbewohner wird von einer braunen Minderheit von Damhirschen sekkiert. Die rehpublikanische Kulturgeschichte strotzt von Weltberühmtheiten wie Rehmond Chandler, Stevie Reh Vaughn, Rehnoir, Ella Kitzgerald oder Reh Charles.
Nicht so wahnsinnig bekannt war auch bisher, dass CD, MD oder DVD auf die Erfindung der RVD (benannt nach den Studenten der Rehkitzhausener TU und Erfindern Rehnate, Vikerl und Daisy) zurückgehen. Der Rehnault andererseits ist nicht so super, wie auch der Ausbau des Straßennetzes den flinken Rehen kein Anliegen darstellt.
Der Willi Resetarits, der als Kurt Ostbahn TV-Spots für kommerzielle Zwecke macht und den Erlös dem Integrationshaus des Herrn Resetarits zukommen lässt, ist "der politischere Mensch" der popklassischen Synthese Brödl/Resetarits/Ostbahn. "Als Ostbahn bin ich der Rock'n'Roll-Charakter, der nur anfallsmäßig politisch Stellung nimmt, dann allerdings auch durchaus ausfällig werden kann." Mit dem altvaterischen Rocker-Viech Ostbahn geht es zu Ende. "Wenn es keine Texte mehr von Günter Brödl gibt, gibt es auch keinen Ostbahn Kurti mehr", sagt Resetarits. "Wir zwa waren fuffzig-fuffzig der Ostbahn, das hat sich der Öffentlichkeit nicht so mitgeteilt, gut, aber das war so. Wir werden seinen Nachlass sorgfältig editieren, Rohdiamanten und Liegengebliebenes sichten, darin werden wir seiner gedenken, da ist er immer unter uns. Und dann werden wir ein Abschiedskonzert geben oder zehne. Da hat die Band ein gutes Gespür. Wie das Reh wittert: Was ist gut?"
Willi Resetarits schaut einem Bus beim Einparken zu. Das von Brödl erfundene Ostbahn-Werkl läuft weiter, noch, die vielleicht witzigste, altmodischste ("im guten Sinn unbeeinflusst durch den Zeitgeist"), populärste Fiktion seit der Rehnaissance. Die Rollen-Neuverteilung steht an, und nona ist das eine logische und eine Geschichte, die der Willi Resetarits nicht so gern mag. In den Weihnachtsferien spielt er eine Woche lang mit der Jazzpartie vom Wolfgang Puschnig in der Flachau, "die Leute werden den Ostbahn erwarten, und wir spielen gegen die Erwartungen, das kann lustig werden". Die Aufklärungsarbeit wird er verstärken, der altgediente Linke, der sein "Kontingent an Protestieren ausgeschöpft hat", jetzt, wo er "a oida Maun" ist, sieht er, wie er immer vorausgesehen hat, "die Kluft zwischen Arm und Reich größer werden, der Kapitalismus hat alles gekrallt, aber andererseits geht es uns so gut wie nie. Radikale Strömungen machen sich im Land breit, aber das Land funktioniert noch. Ich bin nicht die Dauer-Kassandra, ich bin eher der, der was Positives tut, siehe Integrationshaus."
Wenn die Leute in der Straßenbahn einmal nicht mehr gegen "Bledreden sich wehren täten", dann würde ihm kalt werden, sagt er. "Ich will die Leut couragieren. Wie der Häupl gesagt hat: die Lufthoheit über den Stammtischen. Auch da bin ich gar nicht so pessimistisch, übrigens. Ich kenn' keinen Künstler, der die Ziele der FP vertritt."
Johann Skocek
Günter Brödl/Ronald Putzker, Rehpublik Österreich, öS 99/ 110 Seiten, Eichborn, Frankfurt 2000.
© 2000 Der Standard | Last Updated: 30. Dezember 2000 |
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