("Am Ende des Weges")
14. April 2001
Profil 16/2001, 14. 4. 2001, Seite 146/47
I hob 57 Engeln,
de wos schaun auf mi,
i hob 57 Engeln,
es fragts Eich, wieso so vü,
und i sog weu 57 Engeln,
des kummt bei mir grad hin.
Er hat es jetzt vielleicht schon herausgefunden, wo die letzten Oktober eigentlich alle
waren.
Wenn er Zeit gefunden hat, sich kurz von Jesus und Jimi Hendrix loszueisen, mit denen er
da oben, wie der Kurtl weiß, Preferanzen tuat. Dann hat Günter Brödl seine
57 Engel, über die er einen besonders schönen Text für den Ostbahn geschrieben hat,
vielleicht schon zur Rede gestellt und sie höflich, aber bestimmt gefragt, wie sie sich
das überhaupt vorstellen. Was sie denn verdammt noch einmal vor einem halben Jahr
getrieben haben, als sein Herz einfach so zu schlagen aufhörte.
An dem Tag, an dem Kurt-Ostbahn-Erfinder und -Texter Günter Brödl starb, hätten die
Aufnahmen für die neue Ostbahn-CD beginnen sollen. Die Texte waren fertig, warteten in
einer Heftmappe, auf der der Titel Ohjo draufstand, und auch einen
Coverentwurf hatte der manische Arbeiter Brödl schon dazugeheftet. Diese Mappe wurde zu
seinem Testament für die Kombo, die aber in den ersten vier Monaten nach seinem Tod
keinen Ton herausbrachte. Bei einem gemeinsamen Urlaub in Innervillgraten saß man dann
aber am Abend um den Stubentisch, auf dem Schlagzeuger Chris Eigner ein bisschen trommelte
(genau, das ist der, der auch bei Depeche Mode auf den Stubentisch haut), die Herren
Trabitsch und Ritter hatten die ganz zurückhaltenden Gitarren mit, und man jammte sich
Ohjo so langsam zusammen.
Herausgekommen ist ein Album, das von den Ostbahn-Hitparadenzeiten mit der Chefpartie so
weit entfernt ist wie nur was. Leise, sparsam instrumentiert und ordentlich melancholisch
auch, klar. Dass die Musik so ruhig ist, hat natürlich mit Brödls Tod zu tun. Aber nicht
nur. Des wollt i sowieso, des hab i scho seit einem Jahr betrieben, sagt der
Kurt, i glaub, man nennt des Entwicklung. Oder Alter. Meinen Teil an lauter Musik
hab i eh schon übererfüllt.
Und herausgekommen ist schließlich auch ein Album, das vielleicht das letzte
Ostbahn-Album ist.
Wir wollen des eigentlich gar net so an die große Glocken hängen, weu sunst
klingts nach Leitln, kaufts des, letzte Chance. Aber zwischen dem
Günter und mir war immer klar, dass es den Ostbahn so lang gibt, solang eam er und i
miteinander machen, meint Willi Resetarits zur Zukunft seiner Lebensrolle.
Jetzt fehlt ma die Hälfte, und i siech für mi nur mehr die Aufgabe, ihn als
Nachlassverwalter in Erinnerung zu halten. Wann die Erinnerung verblasst, verblasst der
Ostbahn.
Das Vielleicht vor dem letzten Album könnte eine Live-Platte
sein. Oder man schaut noch einmal die Sachen durch, die Brödl im Lauf der Jahre
geschrieben hat und die es dann doch nicht auf eine CD schafften. Aber eines wird sicher
nicht passieren: Dass irgendwelche anderen Texter zuwekumman. Des is
ausgeschlossen.
Nicht, dass dem Kurt Sentimentalität fremd wäre, aber wenn er jetzt Sachen sagt wie
Ostbahn wird enden, die er zwar mit einem Oba no net heuer
relativiert, aber eben trotzdem sagt, sucht man den Anflug von Trennungsangst, den man
doch erwarten würde, vergeblich. Vielleicht, weil er schon zu viel mitgemacht hat mit
dieser Figur, den ganzen langen Weg vom Spaßprojekt zur wahrscheinlich erstaunlichsten
Erfolgsgeschichte, die die österreichische Musikszene zu bieten hat, übers Schutzhaus am
Schafberg zu 20.000 am Ostbahn-XI-Platz und wieder zurück. Willi Resetarits hat
sich gemeinsam mit dem Ostbahn schon oft von etwas getrennt, von der alten Chefpartie, von
dem ganz großen Erfolg. Jetzt trennt er sich halt von dem Ostbahn. Ob ihm das Leid tut?
Naja.
I bin ja sehr harmoniesüchtig, auch im Sinne von notwendige Abläufe
erkennen, sagt der Willi. Eigentlich sei ja alles, was ihm mit dem Ostbahn passiert
sei, völlig logisch gewesen. Bis auf den großen Erfolg natürlich. Aber dass si
das dann auf niedrigerem Level stabilisiert hat, das war normal. Und wir haben uns ja auch
nicht dagegen aufgebäumt, dass wir weniger verkaufen. Wir hätten ja zum Beispiel wie
früher einfach populäre Melodien covern können oba des is unelegant, des macht
kan schlanken Fuaß.
Sicher, welcher Musiker spiele nicht gern vor ganz vielen Leuten und gerade so einer wie
er, der wirklich gern beliebt ist. Aber das Orpheum sei auch okay. Hauptsache
Bühne. Hauptsache schee miteinander geigen. Des warat mei größter Wunsch,
lebenslang auf der Bühne zu stehen. Werma sehen. I tua mei Entwicklung immer so halb
ironisch so beschreiben, dass mir der Herrgott Fingerzeige gibt. So, wie wann auf der
Karten beim Wirten was aus is. Dann will er net, dass i des iss. Wenn des Publikum zum
Ostbahn nimmer kummt, dann is des a ein Zeichen. Dann mach i vielleicht Tourneen durch
Altersheime, oder was waaß i.
Vorerst einmal ist aber noch eine Ostbahn-Tournee angesagt, die im Wiener Orpheum beginnt
und bis Juli durch ganz Österreich gehen wird, was dem Kurt und seiner Kombo a
Batzn Freud macht. Es sei ja immer so, dass sich auf dem Weg zum ersten Konzert
außerhalb Wiens schon auf der Westautobahn galoppierende Fröhlichkeit breit mache wie
bei einer Schulklasse, die auf Maturareise fährt. Da sage man dann Sachen wie
juchuu!. Oder: Wissts, was i werd, wenn i no amoi auf die Wöd
kumm? So viel gern spielen die Burschen. Drum kanns trotzdem sein, dass
uns no a Weu gibt. Wenn ma merken, dass die Verlustängste zu groß werden, dann is scho
weitergspüt a. Die Dinge ergeben sich ja eh immer von selber. Der Herrgott packt
seinen Zeigefinger aus, und das führt dann beim Kurt umgehend zur Einsicht:
Wanns is, waaß mas eh.
Und sich treu bleiben, wurscht, was ist
Authentisch sein. Nicht so tun, als würde man nicht älter werden. 52 sein, wenn man 52
ist, aber mit dem Wissen, dass es nie zu spät für eine glückliche Kindheit
ist. Gedanken über das Alter und nach dem Verlust des engen Freundes auch über den Tod
macht er sich natürlich. Aber seine eigenen. I waaß zum Beispiel hundertprozentig,
dass i kan Krebs kriag. Des waaß i ganz genau so lang, bis i den ersten positiven Befund
kriag. Genauso wie i waaß, dass der Brödl mitn Jesus undn Hendrix Preferanzen tuat. Wenn
i des will, dann is des so. Es war doch schad um die ganze Zeit, in der ma si
fürcht.
Beim Brödl sei das anders gewesen. Der habe wohl zumindest etwas geahnt, sonst hätte er
in den Monaten vor seinem Tod nicht noch viel mehr geschrieben, als er es ohnehin immer
tat. Und in das Lied So oda so, dem letzten auf der CD, seine Ängste und
Ahnungen hineingepackt. Des is wirklich sei Abschiedstext, des hat was
Gespenstisches. Es is vielleicht net des scheenste Liad auf der Platten und sicher net des
fröhlichste. Oba es is ihm in seinem Sinne von uns gewidmet.
Und es geht no tiafa
tiaf unter dErd
obe in Kölla
wo di kana mehr heat
rappelst di auf
oder trittst scho o
du muaßt do durch
so oda so
© 2001 Profil | Last Updated: 21. April 2001 |
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