Text: Günter Brödl
Veröffentlicht im Textheft zur CD "A schene
Leich"
Als ich das letzte Mal über dem Problem saß, die einführenden Worte zueiner Ostbahn-Kurti-LP zu schreiben, hatten wir Winter 84, und der Kurti war eine ramponierte Legende mit katastrophalen Leberwerten. Daß ein Album wie "Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie" jemals (im Feber 85) das trübe Licht der österreichischen Rockszene erblicken konnte, halte ich ja heute noch für ein Mirakel. Viel zu chaotisch verlief Kurtis Leben, gegen jeden modischen Strich war seine Musik. Aber das Album passierte doch, und dann war auch noch "Feuer". Der erste Hit, nach 15 Jahren "Karriere" als wilder Hund.
Der Kurti war plötzlich im Radio, in der Zeitung, und drei, vier Mal zerrten sie ihn sogar vor die Fernsehkameras. Jede Menge neuer Gesichter sonnten sich in seinem späten Erfolg und wollten immer schon alte Haberer gewesen sein. Jede Menge Fachleute analysierten und kritisierten Leben und Werk.
Und der Kurti war ratlos. Er trank sein nächstes Achterl und sagte bestenfalls ein karges "Naja" zu so viel Lob. Er trank sein übernächstes Achterl und kommentierte einen Verriß mit einem herzhaften: "Tausend Schas!" Immer wieder kam er auf dem glatten Medienparkett ins Schleudern: Unvergessen bleibt wohl sein Live-Interview in der Sendung "Treffpunkt Ö3", das mit einer mittleren Feuersbrunst endete, nachdem Kurti - das strikte Rauchverbot im Studio mißachtend - mit seiner Zigarette die Gardinen in Brand gesteckt hatte.
Die Bühne war und ist bis heute der einzige Ort, wo der Kurti mitseiner Popularität umgehen kann. Wenn er - seine treueste Begleiterin, die Doppelliterflasche Grüner Veltliner, an der Hand - vor ans Mikrophon kommt, um das Publikum ziemlich formlos aber von Herzen mit einem "D´Ehre" zu begrüßen, dann ist das der Auftakt zu mindestens zwei Stunden maximalem Rock´n´Roll-Vergnügen.
Das Vergnügen ist beiderseits und sprengt nicht selten den Rahmen der branchenüblichen Verhaltensnormen: Mehrmals schon kehrte die Chefpartie von einem Bundesländer-Gastspiel ohne ihren Chef nach Wien zurück. Der Kurti kam dann zwei Tage später ohne Kommentar, und ohne Erinnerung z.B. an den Verbleib von Barschaft, Reisepaß und Mundharmonika.
Mit einem Vertragspartner wie dem Ostbahn-Kurti läßt sich schwer eine Karriere nach Fahrplan machen. Und so stand der Kurti bald nach der Veröffentlichung von "Ostbahn Live" (erschienen im November 85 inlimitierter Auflage von 2.500 handnummerierten Exemplaren) ohne Plattenvertrag da. Was ihm gar nicht so ungelegen kam, denn: "Warum soll i jedes Jahr a neue Plattn mochn, a wann ma nix dazu einfallt. Des mochen eh die anderen."
Wir schreiben wie gesagt März 88, und ich habe mich in den letztenTagen zusammen mit dem Ostbahn-Kurti, seinem Produzenten Dr. Bei und Mitgliedern der Chefpartie durch insgesamt 40 Songs gehört, die Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie zwischen Mai 86 und März dieses Jahres aufgenommen haben. Der Kurti meint, aus dem Material ließe sich "a anständige Plattn" machen. Ich finde, es reicht für mindestens zwei.
Die Arbeitsmethode war ebenso unzeitgemäß wie unorthodox: Dr. Bei lockte die Chefpartie (z.B. mit einer Kiste Budweiser) alle paar Monate in sein Tonstudio um jene Songs auf Band zu bannen, die sich live auf der Bühne bereits bewährt hatten, - "Neiche Schoin" etwa, Kurtis Konzert-Opener aus dem Hause Z.Z.Top, Phil Lynott´s prophetisches "Na, so wirst ned oid", oder Frankie Miller´s "Wirklich wahr", dem der Ostbahn-Kurti genau den Witz und die Schärfe zurückgibt, die dem Song in der Country-Hit-Version der Bellamy Brothers abhanden gekommen sind.
Zwei Aufnahmen allerdings treten ohne Bühnenerfahrung an: "Chili ConCarne", aus der Feder von Mario Adretti, und erster Exponent des "Rijeka Rock",der längst fälligen Antwort auf die "Tex-Mex"-Musik eines Flaco Jimenez, und "Nochtschicht", Kurtis Breitwand-Gemälde des legendären "EspressoRosi", das elf Jahre nach seiner Erstveröffentlichung (als Titelsong der zweiten Ostbahn-Kurti-LP) ein gestrafftes und aktualisiertes Remake erfährt.
Besondere Erwähnung verdient zweifellos auch "Überstar", das seit gut zehn Jahren zu den Höhepunkten jedes Ostbahn-Kurti-Konzerts zählt: die vorliegende Aufnahme entstand im Mai 86 auf Drängen von Josef Havlicek. Wenige Tage später verließ der Gitarrist, der dem Kurti 17 Jahre die Treue gehalten hatte, die Chefpartie. Das neue, nunmehr fünfte Album von Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie (seit Sommer 86 mit dem turboschnellen "Wild" Willy Brunner an derStromgitarre) wird "A schene Leich" heißen. Sagt mir der Kurti.
Ich will wissen warum."Weils mei letzte is", sagt er. Heute. Und morgen ist alles wieder ganz anders. Ich weiß das.
Günter BRÖDL
© 1988 G. Brödl
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