Linernotes zur CD "Espresso Rosi"

Text: G. Brödl
Im CD booklet "Espresso Rosi" veröffentlicht

Jeder hat so seinen Film, Schlager oder Rock and Roll-Song, der einen durch das ganze Leben begleitet, dem man immer wieder begegnet wie einem alten Bekannten, der immer nur die Geschichten von früher erzählt, und trotzdem sind sie jedes Mal wie neu.
Beim Kurtl ist das auch so, aber doch ein bißl anders.
In seinem Leben haben nicht Filme, Schlager oder Rocksongs ihre Spuren hinterlassen, sondern Lokale. Oder genauer: eine ganz bestimmte Sorte von Lokalen.
In Wien, jener Stadt, in der der Kurtl geboren und groß wurde und in der er nach wie vor lebt, lebt und auch am liebsten seine karge Freizeit verbringt, heißen die Lokale zum Beispiel gern Espresso Rosi. Aber solche Gastronomiebetriebe gibt es überall auf der Welt. Überall dort, wo nicht nur die Sieger wohnen.
Sie werden in den Lokalführern, wenn überhaupt, dann bestimmt nicht in der "In"-Sektion geführt, haben keine exotischen Cocktails im Angebot und an Unaussprechlichem maximal einen Toast Hawaii auf der Speisekarte.
Aber sie haben garantiert auch dann noch geöffnet, wenn die Schuppen mit den klingenderen Namen längst ihre Pforten schließen. Und wenn die Chemie zwischen Gast und Wirt oder Bedienung stimmt, dann kennt ein Espresso Roosi keine Sperrstunde, dann ist rund um die Uhr Betrieb, an der Stehbar, an den Dutzend Tischen, an der Jukebox.
Der Kurtl hat vor zirka 30 Jahren in einem Espresso Rosi in Wien-Simmering (das tatsächlich Espresso Rosi hieß) seine Musikanten-Laufbahn begonne. Das Lokal existiert längst nicht mehr. Es wurde 1977, nach eine gesundheitspolizeilichen Routinekontrolle, behördlich geschlossen. Seither ist der Kurtl ein treuer Gast zahlloser Espresso Rosis. Und von den Menschen, die er dort zu fortgeschrittener Stunde kennengelernt hat, erzählt dieses Album.
Von alten Träumern und jungen Verlierern, gefallenen Engeln und gestandenen Trinkern.
Wenn Sie nicht Stammgast im Espresso Rosi sind, wird Ihnen Kurt Ostbahn ein kundiger Gastgeber sein. Lehnen Sie sich einfach zu ihm an die Bar und lassen Sie sich erzählen, was sich seit Ihrem letzten Besuch so alles getan hat, an dem Tisch gleich neben der Tür zum Beispiel, oder an dem Platz hier an der Theke.

Günter Brödl (Trainer)

© 1995  G. Brödl

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