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7. Jänner 2008


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© 2008  Der Standard/APA


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Begegnung mit einem Entertainer in Pension

Wer den Urlaub noch vor sich hat, und ihn auf einem Campingplatz verbringt, wird in den nächsten Tagen die Qual der Wahl haben. Was nimmt er alles mit? "Das Wichtigste beim Camping ist ein erstklassiges Zelt, / man braucht an Tisch, an Sonnenschirm und auch ein Bett, das sehr gut hält. / Dann braucht man Luftmatratzen, Schlafsäck’, einen Sessel für den Gast, / und als Österreicher einen rot-weiß-roten Fahnenmast. / Drei, vier Reindl, ein paar Häferl, eine Dose für das Salz, / einen Seier für die Nudeln, einen Tiegel für das Schmalz, . . ."

Solch praktischen Ratschlag gab das legendäre Wiener Duo Pirron & Knapp schon in den fünfziger Jahren in dem Lied "Campingurlaub" (dessen erster Strophe das Zitat entstammt). Dieses mit flottem Wortwitz und in rasantem Sprechgesang vorgetragene Stück (eine Art regionale Frühform von Rap-Music!) durfte ich kürzlich wieder hören – und zwar von einem der beiden Originalinterpreten! Der 86-jährige Bobby Pirron lebt seit einiger Zeit in einem Seniorenheim der Caritas im 14. Bezirk, wo zu seinen Ehren ein Nachmittag mit den beliebten "Parodien" (wie er selbst die Lieder nennt) veranstaltet wurde. Zwei Musiker gaben die bekanntesten Stücke (darunter die Klassiker "Tröpferlbad", "Gogomobil" und "Ländermatch") zum Besten – und der mental hochrüstige Pensionist sang bei allen mit. Manchmal wurde ihm das Tempo zwar ein bisschen zu rasant, trotzdem hielt er tapfer mit – und es zeigte sich, dass er keine Zeile dieser humoristischen Kleinkunstwerke vergessen hat. Von der Erinnerung an die vielfach gesungenen Verse beseelt, stimmte er sofort in das mitunter atemlose Staccato ein, wenn die beiden Interpreten einen Song intonierten.

Immerhin sind mittlerweile bereits 44 Jahre vergangen, seit Pirron und sein schon vor langer Zeit verstorbener Kompagnon diese Lieder zuletzt gemeinsam sangen. 1946 hatten sie damit begonnen – und sich 1961 nach 15 erfolgreichen Jahren getrennt. Bobby Pirron war danach, wie er an seinem Ehren-Nachmittag mit geübter Conferencierstimme erzählte, noch 35 Jahre lang als Solosänger, Entertainer und Moderator tätig gewesen. Mir wurden die von Pirron & Knapp mit erstaunlich hoher Stimme nach einem einfachen melodischen Grundmuster gesungenen Strophen durch meinen Großvater vermittelt, der mir die Schellacks als Kind auf einem damals schon antiquierten Plattenspieler (der sich im Oberdeck eines Radios befand) vorspielte. Es ging mir nahe, dass ich diese, die Wiener Mentalität so treffend karikierenden Lieder nun rund 40 Jahre später im Speisesaal jenes Heimes wieder hörte, in dem meine Großmutter bis vor Kurzem lebte.

Die weißhaarigen Zuhörerinnen (denn um solche handelte es sich vorwiegend – wie in jedem Altersheim) bekamen zwar die witzigen Texte zum Großteil nicht mehr vollständig mit, waren aber von den Themen und der Vortragsweise der musikalischen Gäste und ihres Mitbewohners trotzdem sichtlich angetan. Die Institution des Wiener Tröpferlbades haben sie schließlich alle noch gut in Erinnerung. Die Frage, was man in einen Campingurlaub alles mitnehmen muss, beschäftigte die alten Damen hingegen nicht mehr.

Freitag, 05. August 2005


© 2005  Wiener Zeitung

Last Updated: 16. Februar 2008

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