Laut denken am
Donaustrand
Birgit Denk: 'I bin laut’
Es war zu Beginn der 70er Jahre. Die österreichische Musikszene besann sich des lokalen Zungenschlages und plötzlich waren da Lieder, die nicht nur zwischen Neusiedler- und Bodensee von allen auch verstanden wurden, sondern vor allem eine popkulturelle Frischzellenkur darstellten. Lieder die im heftigsten – meist Wiener – Dialekt die Dinge am Punkt brachten. Österreich staunte, lachte, schimpfte, sang mit und fand sich oft in den Songs wieder. Der Spiegel vorm Gesicht der Schnitzelrepublikaner und nicht jeder fand es lustig.
1971 kam Birgit Denk auf die Welt. In Hainburg, am Donaustrand. Hineingeboren in eine Arbeiterfamilie. Die Donau, die sich ihren Weg zwischen Kahlen- und Bisamberg in das Wiener Becken bahnt, ist der Fluss der durch seine Schwingungen den Großraum Wien ähnlich unbewusst beeinflusst wie der Mississippi New Orleans. In Wien regiert eine bestimmte Form des Blues. Nicht unbedingt rein musikalischer Natur. Das Denken der Menschen, der Gemütszustand, der Umgang mit dem Tod und dem dazwischen liegenden Leben. Die Donau gibt mit ihren Wellenschlag den Takt vor und schlägt dabei im Wiener Becken Töne an, die sich im Dialekt zu einer Sprachform entwickelt haben, die ihn ihrer Art einmalig ist. Das ist eine Sprache die leider im aussterben begriffen ist’, sagt Birgit Denk und wird dabei nachdenklich und auch ungewohnt leise. Nachsatz: Das ist schade, denn damit geht auch das Multikulturelle darin verloren. Dieser Mix aus Donaumonarchie, Französisch und Jiddisch der alles so raunzert macht… Das stirbt aus weil die Jungen heutzutage vor allem durch die Medien nahezu ausschließlich hochdeutsch aufwachsen.’
Birgit Denk spricht und singt im Wiener Dialekt. Der Sprache des Wiener Beckens. Von Klosterneuburg bis nach Hainburg. Zwei Alben von ihr sind bisher erschienen, das dritte macht sich gerade auf den Weg um dieser Sprache eine gehörige Portion Leben zurückzugeben, vielleicht auch den Charme auf die Reise zu schicken, der dem Hochdeutschen fehlt. Das Album heißt 'Laut’. Laut, weil ich laut bin’, sagt die Denk und meint damit eine Wesensart an deren Beginn Selbstbewusstsein steht. Ein lauter Mensch sagt was er sich denkt, da fliegen beim Hobeln zum Teil die Späne in Geschwaderstärke durch die Gegend und landen nicht selten genau im Aug des Gegenübers. Das Herz auf der Zunge und diese Denk’sche Zunge ist schnell und manchmal auch scharf wie ein Schwert. Klar, das bringt nicht nur Sympathien aber ich hab mittlerweile akzeptiert dass ich so bin und wenn ich dabei wem weh tu dann tut mir das manchmal – also nicht immer – leid, aber so bin ich halt. Vielleicht ist da auch ein bisserl ein Auftrag damit verbunden. Ich glaube, dass die Leute es sagen sollen wenn sie etwas anstinkt und nicht im globalen Gatsch ihren Kopf vergraben und einfach das Maul halten, wenn andere über sie drüber fahren.’
Das war auch in der Familie Denk seit jeher so. Den Kopf heben und sich gegen Watschen wehren. Als im Dezember 1984 in Hainburg die Au besetzt wurde um unsinnigen Kraftwerksträumen der Politiker einen Riegel vorzuschieben, da waren die Denks mittendrin. Der Kampf um die Au war heftig und als es darum ging, die Aubesetzer von den Nachschublinien abzuschneiden, sie schlicht auszuhungern, warf der Birgit ihr Opa von der Pressburger Reichsbrücke die Orangen Steigenweise runter zu den Demonstranten, weil man sich eben nicht alles gefallen lassen darf und im Hochwinter, in der Au am Boden unter der Plastikplane, Vitamine besonders wichtig sind.
Denk die Emanze? Nein. Denk die selbstbewusste Frau? Mit Sicherheit. Selbstbewusst mit gesundem, ausgeprägten Sozialverhalten. Ungeschminkt im wahrsten Sinne des Wortes. Was sich für Unkundige teils rau und ungehobelt darstellt, ist in Wirklichkeit die Zwischensumme eines bisherigen Lebens, das sich oft genug lautstark gegen den Strom seinen Weg gebahnt hat.
Internat, Studium der Sozialpädagogik, Jobs der unterschiedlichsten Art und immer wieder Musik. Dialektsongs schreiben, mit dem Bandzwilling Alex Horstmann seit nun mittlerweile 11 Jahren gemeinsam veredeln und zu dem stehen was man tut. Ich will nichts anderes machen, ja ich kann gar nicht anders als Musik machen, im Dialekt singen und auf der Bühne stehen. Na klar, das polarisiert. Da kann nicht jeder damit umgehen, denn oft genug gilt ja gerade der Wiener Dialekt als Proletensprache, aber ich spüre auch eine Sehnsucht der Menschen nach ihren Wurzeln, nach dem was sich im Grätzel so tut’, sagt Birgit Denk und weiß, dass es keinen Sinn machen und vor allem ihrem Naturell nicht entsprechen würde, die Grätsche zu versuchen, damit sie von allen verstanden wird: Wennst als Frau im breiten Dialekt singst, dann haben oft Männer ein Problem damit. Die finden das vulgär, billig, oberflächlich - aber damit muss ich leben. Das sind für mich Klischeebilder, sonst nix.’
Seit dem es mit der Musik von Denk’ mehr und mehr Richtung Popularität geht wird auch die Frau Birgit vermehrt öffentlicher. Die Texte, vielfach ein Spiegel von selbst Erlebten, regen die Zuhörer zum Denken an, sie beschäftigen die Leute, das find ich auch gut’ meint sie und stellt damit auch einen Teil von sich selbst ins Bühnenlicht. Birgit Denk, die öffentliche Frau? Nein, da gibt es einen Notbremsenhebel der genau dann gezogen wird, wenn die Leute nicht kapieren wollen, dass es so etwas wie ein Privatleben gibt und es nicht lustig ist, sich hinter jede Türe schauen zu lassen.
Obwohl, es gibt kein geheimes Leben von Frau Denk. Sie ist so wie sie ist. Viel mehr als die meisten anderen im Showgeschäft. Die Denk ist in erster Linie sie selbst. Durch ihre Stimme, ihre Lieder, die Art und Weise wie sie das Leben, die Liebe, den Job und all die anderen Dinge anpackt. Ungeschminkt, dadurch auch verletzbar, aber davor soll vielleicht auch ein wenig die Notbremse schützen.
Will man die Denk’sche Denke erfahren, so sind die Lieder der beste Kompass durch ihre Kreativität und man findet sich in Textzitaten wieder, die aus dem eigenen Leben stammen könnten. Vaknoid’ – was auf wienerisch so viel wie verliebt’ heißt, I hoit di nimma aus’ oder Mia Zwa’. Beziehungsgeflechte die auseinander brechen, Herzschmerz auslösen aber doch nur ein kurzes Ticken auf der Lebensuhr darstellen.
Die Zielgerade der
CD Laut’ ist ein Song mit dem Titel Nimma dabei’. Wäre Liebeskummer nicht so ein
Scheissgefühl dass so weh tun kann… dieses Lied ist so schön dass man fast
geneigt wäre, sich mehr solchen Kummer im Leben zu wünschen. Und genau da
entfaltet sich die Magie von Denk und Laut. Hochdeutsch würde der Song die
Gefühle in die Gefriertruhe schicken, aber so ist er ein Schalter der
Erinnerungen an Situationen auslöst die jeder irgendwann schon einmal mitgemacht
hat. Ungeschminkt, laut aber doch durchaus zärtlich und unberechenbar. Rockig,
bluesig, soulig… So wie das Leben am Donaustrand von Klosterneuburg bis Hainburg
eben ist.
Alle Fotos © 2006 LUKAS BECK |
Last Updated: 26. Jänner 2006 |
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