Hallo
    ("Draussen in der Stadt")


Oktober 1977


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Source: Hallo, 10/1977

Draussen in der Stadt

Seit 3. Oktober läuft im Wiener Theater der Jugend im Renaissance-Theater Günter Brödls Stück »Draußen in der Stadt«. Aufrißszenen, Schlägereien, Saufereien, Elternstreitigkeiten und eine gemeinsame Aktion der Jugendlichen in einer Wiener Randsiedlung sind der Rahmen, in dem Brödl Möglichkeiten anbietet, sich als Jugendlicher in der Welt der Erwachsenen zu emanzipieren.

»Daß sich das Stück - oder besser gesagt, die vielen Episoden - in einer Satellitenstadt abspielt, hat den Grund, daß hier viele Jugendprobleme recht kraß auftreten. Es geht aber darum, sich bei Mißständen nicht untereinander in die Gosch'n zu hauen, sondern Fähigkeiten und Aggressionen dafür einzusetzen, die Mißstände gemeinsam aus dem Weg zu räumen«, erläutert Günter Brödl, der sich als Mitarbeiter der Musicbox- und Miniboxredaktion jahrelang unter Jugendlichen immer dort bewegt hat, wo versucht wurde, aus dem lethargischen und kritiklosen Einerlei auszubrechen. Brödl ist 22 Jahre alt und schreibt »nicht von oben«, er rechnet sich selbst noch zu den Jugendlichen.

»Die Bereitschaft, sich der Welt der Erwachsenen anzupassen, ist wieder größer geworden. Von der Generation, die mit Hippie-, Studenten- und Popbewegungen groß geworden ist, blieb nicht viel übrig. Es bilden sich keine Jugendbewegungen mehr, gemeinsame Beschäftigungen sind selten geworden, und wenn's nur irgendeine Musikgruppe ist.«

Günter Brödl glaubt, aus den Informationen, die er als Ö3-Jugendredakteur bekommt, folgendes schließen zu können: Die mangelnde Bereitschaft für gemeinsame Aktivitäten resultiert aus einer neuartigen Unterdrückung der menschlichen Möglichkeiten. Die Erwachsenen setzen den Jugendlichen eine heile Konsumwelt vor, ohne ihnen zu erklären, welcher Preis dafür gezahlt werden muß. Statt »Erleben« soll es jetzt »Kaufen« heißen. Viele Jugendliche spüren, daß da was faul ist. Sie machen da nicht mit. Die erste, noch instinktive Reaktion ist ein elendes Wurstigkeitsgefühl, das sich manchmal in plötzlichen aggressiven Handlungen entlädt - die Rocker verkörpern diesen Typus. Weiter kommt der Jugendliche dann, wenn er die berühmte Frage nach dem »Warum« stellt, wenn er beginnt, die Verhältnisse zu hinterfragen, nach Alternativen zu suchen. Wenn er dann Gleichgesinnte findet, ist es zu positiven Aktionen nicht mehr weit.

»Draußen in der Stadt« soll aber kein Lehrstück abgeben, das mit erhobenem Zeigefinger wieder mal den richtigen Weg weist. »Die Probleme sollen unterhaltsam und leicht verständlich präsentiert werden«, erklärt der Autor, der mit Peter Gruber seinen Wunschregisseur durchsetzen konnte. Zu zweit haben die beiden das Stück nochmals überarbeitet, Brödl ist bei allen Proben dabei: Die Gefahr, daß der Regisseur an seinen Absichten vorbei inszeniert, will er ausschalten.

Schauplatz der rasch aufeinanderfolgenden Episoden ist eine Neubausiedlung mit einer »Gstettn«. Wo früher Schrebergärten standen, sollte eine Schnellstraße erbaut werden, die man dann doch woanders plante. Durch das ganze Stück zieht sich die Errichtung eines selbstverwalteten Jugendzentrums auf der Gstettn in einem Holzhaus, das besetzt wurde. Ein alter Eisenbahner, der letzte Schrebergärtner, der sich nicht vertreiben ließ, und ein Jugendzentrumsleiter animieren die Jugendlichen zu dieser Aktion. Beide haben einen positives Bild von der Jugend. Von der wohlhabenden Tochter einer Familie mit Lederboutique bis zu jungen Arbeitern, die in der Freizeit als Rocker mit ihren Mopeds Straßensperren errichten und »Maut« kassieren, machen alle im Zuge der Fertigstellung des Zentrums eine Art Lernprozeß durch. Zunächst gibt's untereinander Streit, dann mit den Erwachsenen.

Eine der Hauptfiguren ist Jutta, eine Mittelschülerin, die wegen einer Nachprüfung und wegen ihres Freundes mit den Eltern Schwierigkeiten hat. Verschärfend kommt hinzu, daß ihr Bruder, ein Streber und Jusstudent (Günter Brödl: »A richtig unsympathischer Hund«) die Position der Eltern stärkt. Jutta, die an der Errichtung des Zentrums mitarbeitet, wird von den Eltern eingesperrt und von der Eröffnungsfeier ferngehalten. In der echt lustigen Schlußszene des Stückes tauchen Juttas Freunde nach und nach in der Wohnung auf und gewinnen nach einigen Disputen mit den Eltern die Oberhand. Schließlich findet das Fest in Juttas Wohnung statt.

»Das Ende bleibt eigentlich offen«, meint Günter Brödl, »wie es mit dem selbsterrichteten Jugendzentrum weitergeht, kann man nicht erfahren.«

Text: W. Haslitzer
Fotos: H. M. Posch

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Günter Brödl, geboren am 22. Jänner 1955 (*), lebt in Wien; verheiratet. Er trat nach sieben Jahren aus dem Gymnasium aus und arbeitete in einem Büro. Erste Veröffentlichungen in der Literaturzeitschrift »Neue Wege«, später im »Wespennest«. Günter Brödl ist nun Mitarbeiter der Hörfunk-Jugendredaktion, Spezialist für amerikanische Rockmusik, von der er auch seine Texte beeinflußt glaubt.

1975: »Der kühle Kopf. Zwei flüchtige Erzählungen«, erschienen im Verlag der Literaturproduzenten.

Nach »Draußen in der Stadt« arbeitet Günter Brödl jetzt an Liebesgeschichten.
     

(*) Anmerkung: Das Geburtsdatum ist falsch angegeben - richtig ist der 22. März 1955.


© 1977 Hallo

Last Updated: 10. Oktober 2001

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