Klaus Nüchtern über Kurt Ostbahn und seinen ersten Kriminalroman "Blutrausch". Klaus Nüchtern Wien darf nicht Chicago werden. Keine Gefahr. Und Fünfhaus ist nicht die Bronx. Eh
ned. Dann schon eher New Orleans. Wie das? Nun, den unsachgemäß, wenn auch nicht ohne
handwerkliches Geschick mit einem einzigen langen, langen Schnitt geöffneten Menschen,
die dort aufgefunden werden, fehlt nicht nur das Blut, sondern auch jenes Organ, das
dieses zu Lebzeiten durch die Adern pumpt. Mit Voodoo-Praktiken und Ritualmorden aus
eigener Anschauung weniger vertraut, fällt dem Finder der Leiche Nummer eins, dem gerade
urlaubenden Dr. Kurt Ostbahn, zunächst einmal das Abendessen vom Vortag aus dem Gesicht:
viel Fernet und Bier sowie, als einzig ehedem fester Nahrungsbestandteil, ein
Puten-Cordon-bleu. Wahrscheinlich werde ich nächsten Herbst zu den Lesern des bereits jetzt angekündigten Folgeromans "Hitzschlag" gehören. Eine Willie-Nelson-CD habe ich mir jedenfalls schon besorgt. Klaus Nüchtern ist Kulturredakteur der Zeitschrift "Falter". |
Wenn ein Rockstar zuviel grübeltKurt Ostbahn: Blutrausch. Kriminalroman. "Ich deponiere das Puten-Cordon-bleu, mit dem ich mich am frühen Abend verwöhnt habe und das so mancher Fernet und Weinbrand in den Stunden danach zu einer dunkelbraunen Sauce verarbeitet haben, auf der nächstbesten Kühlerhaube. Dann werfe ich noch einen Blick auf auf das blutige Bündel, das von Wickerl, der Krätzen, übrig geblieben ist und wünsche mich ganz weit weg. Stammersdorf, Nairobi, Sioux City. Oder auf Tournee, wo einem sowas nicht passiert." Normalerweise verbringt der Wiener Rock-and-Roll-Musikant Kurt Ostbahn tourneefreie Zeiten auf seiner Bettbank und sinniert über die Tücken des Lebens. Wäre er diesem Grundsatz treu und dem legendären Café Rallye fern geblieben, wäre das Puten-Cordon-bleu sicher nicht jählings von seinem gemütlichen Weg in die Darmregionen zurück ins ungeschützte Leben geschleudert worden. Doch es gibt Anblicke, bei denen selbst hartgesottene Rock 'n Roller ganz explosiv den Blues schieben. Schon lebendig war das Opfer, der Rockmusiker Wickerl, ziemlich unappetitlich. Ein vermeintlich kaputtes Radio, aus dem plötzlich "Ace of Spades" von den Motörhead ertönte, als der Wickerl es seiner Mutter über den Schädel zog, um sie um das Geld zu erleichtern, daß sie für ihre Beerdigung angespart hatte, ließ ihn völlig durchknallen. Er glaubte, den erleuchteten Pfad gefunden zu haben und wollte auf einer Harley in die Staaten, "um den Guns 'n' Roses den Arsch aufzureißen". Weder tot noch lebendig wollte Kurt Ostbahn in einem Atemzug mit dem Wickerl genannt werden. Doch da er im Café Rallye nach den Ermittlungen der Kieberei als letzter lebend und als erster tot gesehen hattte, liegt es nun an ihm und dem "Trainer", dazwischen noch irgendwie ein freies Plätzchen für den wahren Mörder zu finden. Der Trainer ist durch seine jahrelange Tätigkeit als musikalischer Betreuer, Seelenmasseur und Rock-and-Roll-Nachschlagewerk auf Beinen zur unumstrittenen CHEFPARTIE der Kultband OSTBAHN KURTI avanciert. Aber auch in puncto Mord und Totschlag ist er im Team mit dem Privatgelehrten und Misanthropen Doktor Trash neidlos anerkannte Koryphäe der Wiener Rock-Scene. Während Trainer und Dr. Trash Kopf und Computer einsetzen, wirft sich Altrocker Kurti bedenkenlos in das mörderisches Getümmel. Schlächter im Blutrausch, Sado-Maso-Parties mit Teufelsanbetern und ein Rendezvous mit der ungekrönten Wiener Sex-Metal Queen schütteln ihn durch wie ein Gitarren-Riff mit astronomischen Phonzahlen. Zuviel für einen einfachen Rocksong. Diese Erlebnisse fordern einen Roman. Kurti diktiert und der Trainer alias Günter Brödl schreibt es nieder. Blutrausch beweist, daß nicht nur in den Staaten Rockmusiker ihren Sound verlustfrei von der Bühne zwischen zwei Buchdeckel verfrachten können. Was den Amis Kinky Friedman, ist den Wienern der Ostbahn Kurti: Dichte Atmosphäre, geiler Sound und ein gutdurchdachter Plot. Blutrausch ist ein Buch fürs Ohr, das man beim Lesen kongenial mit Espresso Rosi von OSTBAHN KURTI & DIE CHEFPARTIE (Polygram) und einem guten Sampler von Willie Nelson (vielleicht einer Live-Aufnahme von 1978) stimulieren sollte. PS: Hier geht es zu Kurtis Song-Texten Copyright by Jürgen Reuss, Regionaler OnLinedienst Freiburg 1996
ROLF 14.05.1996 |
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