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November 2000
Volksoper: "Tankstelle der Verdammten"
DER STANDARD, 6. November 2000, von Ljubisa Tosic
Wien - Hat doch jeder schon einmal erlebt - diese spezielle Würstelbudenromantik, die ins Ungemütliche kippen kann. Wenn er sich zu extrem später oder morgendlich früher Stunde auf der Suche nach Sättigung durch eine "Eitrige" in die Schlange vor einem "Standl" einreihte, hatte er eigentlich nur Hunger. Doch wurde sein Gehabe tragischerweise von Zeitgenossen missdeutet ...
Sein Blick erwies sich als falsch. Ein Zucken seiner Augenbrauen wurde zur
Ehrenbeleidigung. Und plötzlich ließ ihn die durch Bartstoppeln unwirsch grinsende
Zahnlücke des Gegenübers erahnen, dass die Frage "Heast, wos is?" nur noch ein
rhetorisches Präludium für die schon erschallende Symphonie der Kopfnüsse und Dachteln
war.
In der Wiener Volksoper geht die gute Fee (stimmlich gut disponiert die kindlich-märchenhaft herumhüpfende Siegrid Hauser) in so einer Situation mitunter dazwischen. Sie kommt einem Faust-"Buserer" zuvor. Doch kann und will sie nicht immer eingreifen. Und dann scheppert es halt vor dem Würstelstand neben der Tankstelle. Es folgt eine "Genitalmassage", und darnieder liegt das Gigerl vom Senf-Restaurant, der Herr Prittwitz, dem die grindige Bude auch gehört.
Die Abreibung
Es wird sich im Auditorium keiner befunden haben, der meinte, der Angeber im weißen Zweireiher hätte solch eine Abreibung nicht verdient. Und nicht nur, weil er von Oliver "Ö3" Baier (so hilflos wie bewusst schablonenhaft) gespielt wird. Längst hat Georg Ringsgwandls von Thomas Maurer ins Wienerische übertragene "lausige Operette" Die Tankstelle der Verdammten verdeutlicht, wohin sie die Sympathie der Anwesenden wandern sehen will. Zu jener Exkurvensau namens Tino (glänzend Gregor Seberg), der einst Testfahrer bei BMW war, nun aber als Koch und Kellner für das leibliche Wohl seiner Stehkundschaft zu sorgen hat und seine Lebensphilosophie ("Ride hard - die free!") in Pension geschickt hat.
Und vor allem natürlich zu diesem Mann, der neben der Genitalmassage auch noch die Kunst beherrscht, eine Bierflasche auf sieben Arten zu öffnen: King Church war einst Rockstar, aber das ist Tausende Fässer Bier her! Eben weil: Bier her! Jetzt ist er vor allem Sozial-Mephisto, dick genug, um nicht durch das soziale Netz zu fallen. Stolz genug, um zornig zu sein. Recht so!
Ambros singt Wegas
Tony Wegas weiß, was er spielt. Vor allem ist er zweifellos ein Rampentiger, der die Gelegenheit nutzt, einen testosteronüberversorgten Barden zu mimen. Das ergibt eine sympathische und professionelle Mischung aus Tom Jones, Wegas und Wolfgang Ambros, der Wegas imitiert - deftig und brav assistiert von der Tankstellencombo um Geri Schuller.
Hätte das Ganze auch noch eine dramaturgisch intakte Regie (Thomas Gratzer), man würde die humorigen Untiefen akzeptieren. Auch dass die Besetzung nicht immer das nötige Maß an professionellem Handwerk bot (Alexandra Hilverth als Angie und Sissi Löwinger als Frau Dreher). So bleibt der Eindruck eines durch Dialoge unterbrochenen Selbstdarsteller-Konzerts im Bierkisten-Ambiente ohne Aussagewillen. Mit Durchhängern. Wenn Ringsgwandl ein Wort der Fassung verstanden hat, verdient er die Ehrenbürgerschaft.
KURIER, von Peter Jarolin
Ein Würstelstand in der Zivilisationseinöde: Hier treffen sie auf einander, trinken Bier, schwelgen in Erinnerungen, schlagen die Zeit tot und träumen vom ganz, ganz großen Glück. Der abgehalfterte, arbeitslose Rock 'n' Roller King Chuck, seine Freundin Angie, der Verlierer Tino und der skrupellose Vorstadt-Mafioso Prittwitz. Kleine Leute mit vielen Illusionen und wenigen Zielen, die immer auf der Schattenseite des Lebens wandeln. Mit Georg Ringsgwandls Operette "Die Tankstelle der Verdammten" setzt die Volksoper auf den rockig-herben Charme der Vorstadt und verliert sich leider in einer grellen Parade von gescheiterten Existenzen.
Die Voraussetzungen hätten besser nicht sein können: Georg Ringsgwandls "lausige Operette" strotzt vor musikalischen Einfällen, vor bissigen Untertönen und sozialkritischen Seitenhieben. Jeder Song mutiert bei Ringsgwandl zu einem sehr persönlichen Bekenntnis. Hinter jedem noch so komischen Dialog lauern auch existenzielle Ängste und seelische Abgründe. Die Wiener Bearbeitung von Thomas Maurer ist authentisch; die Musiker um Geri Schuller und seine Band illustrieren diesen Totentanz der Verlierer perfekt.
In der Volksoper aber will die Koproduktion mit "kis. productions" nicht so recht zünden, ist die "Tankstelle" auf morschem Grund gebaut. Wie der arme King Chuck, der ewig vor dem Durchbruch steht und nie etwas erreicht - so hantelt sich die Aufführung von Nummer zu Nummer. Zwar ist das praktikable, nur die Rampe nützende Bühnenbild von Christian Gallei um Intimität bemüht. Zwar setzt Regisseur Thomas Gratzer das Geschehen mit viel Liebe zum Detail in Szene. Allein, ohne charismatische Darsteller und Sänger hilft das herrlich marode Ambiente wenig.
Denn Ringsgwandls Song-Texte müssen zu verstehen sein. Sie treiben die eigentliche Handlung voran, sie verleihen den Aktionen der Protagonisten erst Sinn. Genau darin liegt das größte Manko der trashig-elegischen Ballade. Gregor Seberg als Schlurf Tino, Sigrid Hauser als in Silber gewandete Fee, Sissy Löwinger (!) als putzende Mutter und Alexandra Hilverth als mit unfreiwilligem Mutterglück gesegnete "steile" Angie - ihre Worte ersticken in der Musik, ihr Schicksal ist nur selten wirklich zu begreifen. Der mit Mut zur Selbstironie agierende Oliver Baier als köstlich schleimiger Bertl Prittwitz ist in diesem vokal oft unverständlichen Einerlei die löbliche Ausnahme.
Und der im Leben selbst so oft gestrauchelte Tony Wegas? Er berührt in seiner eingestandenen Hilflosigkeit, er muss den gestrandeten King Chuck nicht spielen.
Bierbauch, Flinserl, Pomadenfrisur und die Erinnerung an glorreiche Tage als Schlagerheld - die Unterschiede zwischen Tony Wegas und King Chuck sind selten auszumachen. Grenzen verschwimmen, Tragik und Komik werden ein Geschwisterpaar. Wenn Tony Wegas zuletzt mit Königskrone und Samtmantel als Untoter die Kraft des Rock 'n' Roll beschwört - dann kippt die Verlierersatire gefährlich in die Wirklichkeit, dann steht plötzlich ein real Gescheiterter auf der Bühne.
Georg Ringsgwandl: "Die Tankstelle der Verdammten", Volksoper Wien.
Weitere Vorstellungen: 8. November 20.00 Uhr, 19. November 11.00 Uhr;
Wiener Volksoper: "Tankstelle der Verdammten"
SALZBURGER NACHRICHTEN, von Heinz Rögl
Die Szenerie vor dem Eisernen Vorhang stellt einen grindigen Würstelstand am Rand einer Tankstelle dar, irgendwo in den Weiten eines Shopping-City-Parkplatzes. Unter OMV-Sonnenschirmen spielt die Rock-Band.
Mit dem Würstelmann als Trinkkumpan (Gregor Seberg in Motorradstiefeln und ausgebleichten Sportlershorts unter dem offenen weißen Mantel) verbringt der abgehalfterte Rocksänger King Chuck als Dauergast seine alten Tage als Sozialschmarotzer, lebensecht verkörpert vom ehemals selbst gestrauchelten Austropopper Tony Wegas in einem herrlichen Comeback.
Mit von der Partie sind des weiteren schauspielambitionierte Ö3-Moderatoren (Alexandra Hilverth als seine Frau Angie, die einstige Perle der Südstadt, Oliver Baier als Sportwagen- und Würstelstand-Besitzer im Prolo-Yuppie-Outfit). Eine kranke Schwester vom Fernsehkabarett (Sigrid Hauser) gibt die "Fee", Sissy Löwinger debütiert als Rock-Mamsch.
Eine "lausige Operette" nannte Georg Ringsgwandl sein mit Rocknummern durchsetztes, schrilles Versager-Opus zwischen Sozialkitsch und Trash, Horva`th und Zauberposse, das nunmehr an der Wiener Volksoper in der von Thomas Maurer eingewienerten Fassung, inszeniert von Thomas Gratzer, erneuerte Urständ' feiert. In der Handlung kommt alles, wie's kommen muss: Chuck droht die Delogierung, der Lackaffe von "Tankstelle"-Besitzer schickt sich an, ihm Angie (samt plärrendem Kind) auszuspannen und am Ende trifft Chuck der Herzinfarkt, als sein Freund vergessen hat, nach der Telefonnummer des Managers einer berühmten Band zu fragen, die ihn engagieren wollte - ein Musikerleben endgültig ruiniert.
Die Schmähs der Modernisierungs-Verlierer
Die Schmähs sind aus dem heimischen Modernisierungs-Verlierer-Leben gegriffen, also
"ein voller Schas, owa ursuper". Tony Wegas spielt mit einer Contenance, als
hätte Paul Löwinger Hans Orsolics zu verkörpern und läuft in den herzerwärmenden
Gesangsnummern zu bewundernswerter Power auf. Größter Pluspunkt des Ganzen ist die
fetzige Musik, beigesteuert von einer sechsköpfigen Band unter der Ägide von Geri
Schuller (Keyboards), mit geradezu genialischen Bläserbeiträgen der Posaunisten Berti
Mütter und Martin Ptak.
Mehr als ein populistischer Ausritt: Die nach Erfolgen lechzende Volksoper ist in dieser Koproduktion mit "kisproductions" auf der Suche nach einer zeitgemäßen neuen Gattung eines volkstümlichen Musiktheaters zumindest in diesem einmaligen Fall fündig geworden. Weitere Vorstellungen: 8. und 19. 11.
Ein Abend, an dem man so ganz leger, auch ruhig mit der Jean, in die Wiener Volksoper kommen kann. Gleich wohler fühlt man sich dann, wenn der Tony Wegas, unser Song-Contestler aus schon länger zurückliegenden Jahren, als King Chuck, der Rock'n'Roll-Versager, und andere schräge Typen aus der Vorstadt auf die Bühne kommen. Die "Tankstelle der Verdammten"-Musikshow des Georg Ringsgwandl wird an einigen wenigen Abend gespielt. Nur hinein in die Volksoper, fad ist's nicht!
Wie kommt denn ein Stück des Ringsgwandl, des Kabarettisten aus Bayern, in die Wiener
Volksoper? Und der Tony Wegas, und die Band des Gerri Schuller? Was sie da machen, paßt
das nicht so viel besser ins nahe gelegene Hernalser Metropol hinein? Bisserl Schmäh von
einer Strizzi-Partie, ein paar schmissige Musiknummern, ein kleines belangloses
G'schichterl im Vorstadt-Milieu. Der Ringsgwandl hat sich das für die Deutschen
ausgedacht, und der heimische Kabarettist Thomas Maurer hat's gekonnt ins Wienerische
übersetzt.
Wer so was mag, ist jetzt hier am Währinger Gürtel richtig am Platz. Die Volksoper hat gar nicht so viel damit zu tun. Keine Volksopernleute machen da mit. Sondern das Team der Wiener kis.productions hat alles eingfädelt. Und da Volksopernchef Dominique Mentha nach neuem und jüngerem Publikum Ausschau hält, hat er zugepackt. Ich denke, es ist kein Fehlgriff. Die Schlagermusik ist gut, Bearbeitung und Inszenierung sind gut, die Typen sind gut besetzt. Und die Story ist so im Stil der 70er, 80er Jahre: King Chuck schafft's nicht als Rock-Gitarrist. Den Einstieg ins Leben hat er verpaßt, am Würstelstand bei der Tankstelle ist er als Schmähbruder hängen geblieben.
Ringsgwandl und seine Wiener Helfer haben das sympathisch und witzig verpackt (Regie:
Thomas Gratzer, Ausstattung: Christian Gallei). Sissy Löwinger, Gregor Seberg und Oliver
Baier können pointiertes Schauspiel bieten. Tony Wegas bleibt der Tony Wegas. Sigrid
Hauser ist die charmante gute Fee, Alexandra Hilverth das attraktive Miststück. In der
zweiten Hälfte zieht sich das Spielchen vielleicht ein wenig, doch das spritzige
Musizieren hilft darüber weg.
Bloß zwei Mal nur ist "Die Tankstelle der Verdammten" noch angesetzt. Läßt
sich der Ringsgwandl-Abend jetzt gut verkaufen, wird er ins Repertoire eingeschoben. Auch
wenn sich einige Besucher gefragt haben, was das Ganze hier an der Volksoper eigentlich
soll, war die Stimmung am Premiernabend jedenfalls locker und animiert. Wie sonst im
Hernalers Metropol.
Von Meinhard Rüdenauer
Neue KronenZeitung (Wien), 6. 11. 2000, von Oliver A. Lang
Volksoper: Ringsgwandls "Tankstelle"
Warnung für Autofahrer und Kulturfreaks! Kommt die "Tankstelle der Verdammten" in Sicht - durchstarten! Denn wer mit Georg Ringsgwandls - laut Eigendefinition - "lausiger Operette" in der Volksoper zwei Stunden verbringen muss, vergisst das nicht so schnell!
Unnötig zu diskutieren, obs das richtige Stück für das Haus am Gürtel ist. Die "Tankstelle" hat andere Probleme: Autor Ringsgwandl kann sich nicht entscheiden, obs ein Rühr- oder Lehrstück, Zeitvertreib oder ernst oder bloß Klamotte sein soll. Ich finde die "lausige Operette", nach Wiener Art zugerichtet, misslungen. Eine halbherzige Geschichte vom Hinterhof-Rocker Chuck (Tony Wegas), der mit dem Leben nicht klarkommt - nicht amüsant, nicht kurzweilig!
Eine gute Fee (Sigrid Hauser) verschlimmbessert die Lage des Musikers, ein Manager-Strizzi (Oliver Baier) spannt ihm sein Mädl (Alexandra Hilverth) aus, Mama (Sissy Löwinger) streikt, der Exitus kommt per Herzinfarkt.
Die Vorstellung tuckert dahin. Der Blick in die untere Lade der Gesellschaft hat aber auch einen arroganten Beigeschmack: Da dürfen Sozialvoyeure lachen.
Regisseur Thomas Gratzer stellt Typen auf die Bühne. Dass Tony Wegas oder Oliver Baier von ihren Fans gefeiert wurden, hatte mit den Schauspielerleistungen wenig zu tun. Bleiben Sissy Löwinger (tapfer), Sigrid Hauser (etwas verkrampft), Gregor Seberg (outrierend). Die Musik bietet lauwarmen Rock n Roll. Dass ohne Pause durchgespielt wurde, hatte seinen Grund...
© 2000 | Last Updated: 08. November 2000 |
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