Die letzte Welt


Texte: Heinz R. Unger


Ein blauer Ball

Ein blauer Ball dreht sich im All
schon seit dem ersten Sündenfall
am Rande der Galaxis.

Ganz umspült von Sternenschaum

hängt er da im Zwischenraum

von Theorie und Praxis.

Vom blauen Ozean umspannt

liegt grün und golden gutes Land

wie kostbares Geschmeide.

Menschen ziehen drüber hin,

weben Muster in das Grün

aus Früchten und Getreide.

Von jenseits von der Venusbahn

schaut sich das ganz prachtvoll an:

ein Stern, der wirklich toll ist.

Doch wer sich näher ein drauf läßt,

der merkt, daß sich die schwarze Pest

an diesem Apfel vollfrißt.

 

Die Apokalyptischen Reiter

Es reiten vier Reiter unter dem Mond.

Es wachsen die Schatten am Horizont.

Es führen vier Wege ans Ende der Zeit,

die sind alle mit unserer Asche bestreut.

Der Erste jagt näher, sein Totenkopf glänzt,

der rasende Hunger, ein grelles Gespenst,

jagt wie ein gellender Schrei durch die Nacht,

von Menschen erlitten, von Menschen gemacht.

Und in knöchernem Klammergriff hält

er umspannend zwei Drittel der Welt.

Und die noch zu essen haben, hoffen vielleicht,

daß sie der heulende Tod nicht erreicht.

Nichts sehen, nichts sagen, die Schreie nicht hören,

der Hunger ist weit, wir können uns nähren.

Doch drohend fällt schon sein wachsender Schatten

über die Länder der immer noch Satten.

Der Zweite reitet in goldenem Rock,

ein fetter Räuber auf fettem Bock,

und auf seinem Sturmbanner steht:

Die Welt wird geplündert, solange es geht.

Der Urwald gerodet, die Lunge der Welt,

der Boden vom Toben der Gifte entstellt.

Es gibt einen Sachzwang und der heißt Profit,

der hält mit dem rasenden Reiter stets Schritt.

Die Meere tot, Öl säumt noch den Strand,

die Erde trägt nichts mehr, ein braches Land.

Dann ist die Welt bis zum Knochen zernagt,

ein toter Stein, der zum Himmel aufragt.

Der Dritte fährt drein wie ein Säbelhieb,

ein alter Killer im Panzerjeep.

Der hat so ein kaltes Feuer im Blick,

das Glitzern des Todes, der ewige Krieg.

Die Städte zerfallen in Feuer und Schutt,

in Flüssen wälzt sich die Lavaglut,

Gewitter aus Schlägen und Gegenschlägen,

aus Napalmwolken rinnt brennender Regen.

Da wird um die letzten Reste gerauft,

die letzten Kinder mit Blut getauft,

den Bunker der Hoffnung, den gibt es nicht mehr,

denn dieser Krieg gleicht keinem vorher.

Der Vierte kommt plötzlich und unerhört,

ein weißer Blitz auf dem Nebelpferd,

lange gehortet und aufgestaut,

springt er ins Volle, sprengt er die Haut.

Es bläht sich der Leib der zerplatzenden Welt,

wie ein Tropfen Milch, der auf Feuerglut fällt,

zerspringen die Funken der sich bäumenden Kraft,

das ist das Letzte — wir haben's geschafft.

Ein weißer Blitz auf dem Pferd aus Rauch,

ein glühender Ball, ein vergehender Hauch.

Taumelnde Trümmer und Nebelschwaden

ziehen sich hin bis zu den Plejaden.

Es reiten vier Reiter unter dem Mond.

Es wachsen die Schatten am Horizont.

Es führen vier Wege ans Ende der Zeit,

die sind alle mit unserer Asche bestreut.

 

Commander Madman und General Freak

Commander Madman und General Freak

sitzen nachts beisamm' und spielen Krieg.

Im geheimen Bunker-Hauptquartier

rauchen sie und trinken Dosenbier.

Europa ist ihnen vertraut —

im Sandkasten haben sie sich's nachgebaut.

Und überschauen es nun mit einem Blick –

Commander Madman und General Freak.

Commander Madman und General Freak

spüren so ein Prickeln im Genick.

Paris und Frankfurt sind zwei Fähnchen nur,

und Rhein und Donau sind zwei Stückchen Schnur,

Berlin ein Knöpfchen, das versteckt im Sand steckt,

das Meer ein Blaupapier, das sich ins Land streckt.

Da haben sie den rechten Überblick —

Commander Madman und General Freak.

Commander Madman und General Freak

schieben Fähnchen vor und auch zurück.

Der eine stützt sich mit der linken Hand

auf Sachsen-Thüringen und Helgoland,

worauf der andere, weil ihm die Hand krampft,

nun Baden-Württemberg tief in den Sand stampft.

»Oho, Verzeihung«, sagen auf gut Glück

Commander Madman und General Freak

Commander Madman und General Freak.

spielen europäisches Geschick,

sie schließen schnell noch ein paar Wetten ab,

und schießen Bleistiftstummeln als Raketen ab,

und jedes Knie kniet in einem anderen Land,

da fliegen Fetzen und es fliegt der Sand.

Es lassen übrig nicht das kleinste Stück

Commander Madman und General Freak.

Wahnsinnschoral

In den Gärten des Wahnsinns

wachsen die Bäume von oben nach unten,

fließen die Flüsse zur Quelle hinauf.

In den Gärten des Wahnsinns

ist alles ganz anders,

Der Wahnsinn ist Methode —

ist logisch und vernünftig,

Vernunft — ein verdächtiges Element.

Der Wahnsinn ist in Mode,

der Wahnsinn hat Methode,

der Wahnsinn der eiskalten Köpfe,

der Wahnsinn der knallroten Knöpfe.

Wahnsinn, Wahnsinn — kann ich mit der Bahn fliehn,

eh' ich diesmal dran bin?

Kann ich mit der Bahn fliehn,

eh' ich diesmal dran bin,

kann ich mit der Bahn fliehn vor dem Wahnsinn?

 

B

Wutlied

Mein Job ist weg und mir ist kalt,

bin in den roten Zahlen.

Jetzt sagen sie mir,

ich müsse halt den Gürtel enger schnallen.

Sie haben ein Konto in der Schweiz,

einen Bunker in der Villa,

und im Falle eines Streits

bewacht sie ein Gorilla.

Ich hab' nen Panzer auf der Haut

wie eine dicke Schlammschicht,

hab' einen Stausee aufgestaut,

und wehe, wenn der Damm bricht!

Sie ziehen aus zum Stimmenfang

mit Pauken und mit Bullen.

Es macht mich schon im Kopf ganz krank

das Quasseln dieser Nullen.

Sie schwätzen nur von Demokratie

und meinen Law-and-Order.

Die Schnauze halten sollen sie,

das ist es, was ich forder.

Ich hab' nen Panzer auf der Haut

wie eine dicke Schlammschicht,

hab' einen Stausee aufgestaut,

und wehe, wenn der Damm bricht!

Sie quatschen immer von Kultur

von Opern mit Walküren,

und unser Geld verwenden sie nur,

um Konzernen die Arsche zu schmieren.

Und dich und mich bescheißen sie

von hinten und von vorn.

Ich brauche keine Strategie,

ich habe nur noch Zorn.

Ich hab' nen Panzer auf der Haut

wie eine dicke Schlammschicht,

hab' einen Stausee aufgestaut,

und wehe, wenn der Damm bricht!

Lied des Guru

Die Welt ist groß, die Welt ist bös,

ihr fehlt die Harmonie.

Im Lotussitz auf dem Gesäß

konzentrier Dich, schlürfe Tees.

Reagan, Breschnew, Schmidt und Strauß —

gestörte Vaterbilder.

Was nützt Dir's — Du besetzt ein Haus

und lebst als wie ein Wilder.

Was soll das für ein Leben sein?

Was soll das ganze Hassen heut?

Leute, kriecht in Euch hinein.

Mit kosmischer Gelassenheit!

Machen wir uns innen stark:

Ashram-Weekend tausend Mark!

All das Getue ist nur Schein,

das Wahre das ist innen,

klopf bei Dir an und laß Dich ein,

statt in der Welt herumzuschrein,

sollst Du Dich selbst besinnen.

Lied der Missionsschwester

Schaut herum, wie schrecklich arm

die Erde ist, daß Gott erbarm,

jedoch nur größtenteiles.

Wir aber leben noch derweil,

durch Gottes Gnad in einem Teil

der Fülle und des Heiles

und haben was auf der Bank - Gott sei Dank!

Wenn jeder — das ist doch nicht arg —

nur spendet eine müde Mark,

hätt das Gewissen Ruhe.

Dann kriegte jedes Kind hurra

im Urwald dort in Afrika

Bonbons und Nagelschuhe,

und wär nicht mehr so schlank — Gott sei Dank!

Statt zu fordern und zu schrein,

sollten wir bescheiden sein

und uns nicht beklagen

schließlich haben wir bis jetzt

ganz schön Bauchspeck angesetzt.

Da würden viele sagen

In Bombay und Pjönjang - Gott sei Dank!

Lied des Offiziers

Wir haben Verteidigungspanzer

und einen Abwehrapparat,

der deutsche Staat als ein ganzer

ist ein Verteidigungsstaat.

Wir haben Verteidigungsminister

und kein Angriffsministerium!

Und nur ein verstockter Philister

nimmt uns die Verteidigung krumm.

Wer den Frieden liebt, der muß rüsten,

sonst tät ihn der Feind überlisten,

da darf man sich dann nicht entrüsten

zusammen mit den Kommunisten.

Wir sind eine reine Verteidigungsarmee

mit einem feinen Verteidigungsschmäh:

wir üben nur den Verteidigungsakt

und verteidigen den Nato-Verteidigungspakt,

und wir sagen bei jeder Beleidigung:

»Angriff ist die beste Verteidigung!«

Die Kunst des Schießens und Deckens

betreiben wir und weichen nicht,

und mit dem Gleichgewicht des Schreckens

halten wir die Welt im Gleichgewicht.

Was unsere Waffen zerfetzen,

das dient nach ehernen Gesetzen

der Sicherung von Arbeitsplätzen,

das sollte man nie unterschätzen.

Die freie Welt muß man schützen,

man darf auch Raketen benützen,

auch mit atombestückten Spitzen,

die das Abwehrsystem unterstützen.

Wir sind eine reine Verteidigungsarmee

mit einem feinen Verteidigungsschmäh:

wir üben nur den Verteidigungsakt

und verteidigen den Nato-Verteidigungspakt,

und wir sagen bei jeder Beleidigung:

»Angriff ist die beste Verteidigung!«

Lied des Politikers

Leute, wir haben hier im Land

den Bogen gewaltig überspannt,

die fetten Jahre sind nunmehr vorbei.

Gut geht's uns ja immer noch,

wir pfeifen nicht aus dem letzten Loch,

nur müssen wir bescheiden sein dabei:

denn in der Zeit der großen Wirtschaftskrise

heißt die oberste Devise:

Die Politik der kleinen Schritte!

Kleine Schritte, das sind Schritte in der Mitte.

Denn es rollt die Welt und ich und du

auf einen ungewöhnlich tiefen Abgrund zu,

da ist es doch gescheiter: kleine Schritte!

Kleine Schritte, keine großen Schritte, bitte!

Zwei nach vorne und zurück geht dann der dritte,

das läßt sich tanzen in der kleinsten Hütte:

der Tanz der Politik der kleinen Schritte,

der ist heut wieder modern.

Freunde, offen sei's gesagt,

das was unsre Wirtschaft plagt,

ist: wir sind ja viel zu sozial.

Unser soziales Netz

ist viel zu eng geknüpft bis jetzt,

sowas untergräbt ja die Moral.

Drum, in der Zeit der großen Wirtschaftskrise

heißt die verantwortungsvolle Devise:

Die Politik der kleinen Schritte!

Wir sind uns einig in dem Satz:

Es geht um jeden Arbeitsplatz!

Nur muß man der Wirklichkeit ins Auge sehn:

Gerade in der Rüstungsindustrie

gibt's jetzt Aufträge wie noch nie!

Da darf man nicht dagegen Linke drehn.

Denn in der Zeit der großen Wirtschaftskrise

heißt die verantwortungsvolle Devise:

Die Politik der kleinen Schritte!

Kleine Schritte, das sind Schritte in der Mitte.

Denn es rollt die Welt und ich und du

auf einen ungewöhnlich tiefen Abgrund zu,

da ist es doch gescheiter: kleine Schritte!

Kleine Schritte, keine großen Schritte, bitte!

Zwei nach vorne und zurück geht dann der dritte,

das läßt sich tanzen in der kleinsten Hütte:

der Tanz der Politik der kleinen Schritte,

der ist heut wieder modern.

 

Lied des Unternehmers

Erinnern Sie sich noch an das Wirtschaftswunder?

Da war es doch ganz nett mitunter,

es naschten alle dran und hatten lieb

den Unternehmer als dynamisches Prinzip.

Doch kaum kamen kalte Krisenzeiten,

da hörte man auch schon von allen Seiten,

daß wir die Hauptschuld daran haben –

die Unternehmer sind die bösen Knaben.

Doch immerhin ist nichts verlor'n,

am Weltmarkt sind wir noch ganz vorn.

Lieb Vaterland, in diesem Sinn —

der Unternehmer kriegt dich wieder hin.

Zuvörderst müssen wir Euch allen

Eure Gürtel einmal enger schnallen.

Auch wenn er schlecht ist, der Befund —

der Unternehmer schrumpft Euch schon gesund.

Nur wenn ihr sehr bescheiden seid,

dann kommt ihr durch die Krisenzeit.

Lieb Vaterland, in diesem Sinn —

der Unternehmer kriegt dich wieder hin.

 

Meckersong

Ist noch jemand da, der zu Meckern hat? —

Raus! Raus! Raus!

Denn wir haben das ewige Meckern satt! -

Raus! Raus! Raus!

Wir wollen lustig, vergnügt und verwegen sein,

und nicht immer und ewig dagegen sein.

Drum, ist noch jemand da, der zu Meckern hat? —

Raus! Raus! Raus!

 

 

c

Die Hungrigen & die Satten

Mister Kapital

ich strich mir in der Bibel an:

Mach dir die Erde untertan!

So machte ichs, und zwar in allen Zonen.

Aus dem Dunkel der Geschichte

treten Sagen und Berichte

über meine ersten Transaktionen.

Die Kolonien mußten spuren

auf die Mono-Feld-Kulturen,

dies Land gab nur Kaffee und jenes Zucker,

so war Europas Frühstückstisch

stets gedeckt und immer frisch,

und das galt sogar für arme Schlucker.

Die Zivilisation, die vordrang,

hatte absoluten Vorrang,

wo die Doppelspur der Eisenbahn entlang eilt.

Ich bin der Vater der Proleten,

die entstanden in den Städten. –

Ohne mich hätte sich Karl Marx gelangweilt!

Das war der i-Punkt der Idee:

die Rohstoffe aus Übersee

fuhren billig ein in die Fabriken,

und was die Maschine schluckte

kam heraus als Endprodukte,

die um teures Geld die Welt beglücken.

Und ich sprach zu meinem Staat:

Hör mal zu, wer hat, der hat,

beschütze mich vor meinen Konkurrenten,

mit Schutzzoll und mit Einfuhrsperren,

und schütz' mit Repetiergewehren

die Kolonien auf den diversen Kontinenten.

Wird die Konkurrenz zu groß

ja, dann ist der Teufel los,

dann muß mein Staat mir meine Kriege führen.

Dann verdien' ich noch, wenn s gebt,

an dem gesamten Kriegsgerät

und an Granaten mit Lizenzgebühren.

Ich wuchs über mein Land hinaus,

es wurde mir zu eng zuhaus,

ich bin ein Mann von Welt und nicht von gestern.

Ich warf mich gierig auf das Öl –

Exxon, GuIf, Texaco, Shell —

ich trieb es toll mit allen sieben Schwestern.

Heut tanzt unter meiner Führung

in vielen Ländern die Regierung

ich stecke meine Finger, fein behandschuht,

in so manches Staatsorgan,

und in jeden Rüstungsplan,

und in fast alles,

was man euch so antut.

Das System läuft wie geschmiert,

denn ob dies, ob das passiert,

es macht mich immer größer und globaler.

Sagt mich tot und schreibt mich krank!

Totgesagte leben lang,

und werden immer multinationaler.

Manchmal stellt mir wer ein Bein,

manchmal schimpft mich wer ein Schwein,

da wollen welche nicht, daß es so bleibe

Doch stets, wenn wer besonders schimpft,

erkläre ich: ich bin geimpft,

und was ich je auch tat, i did it my way.

 

Tango der Macht

Ich bin ein Handlungsreisender

gar fix und blauen Blicks,

ein Erste-Klasse-Speisender,

die deutsche Wirtschaft Preisender

von vorn und hinterrücks.

Ich bin ein oft Geschilderter

gar chic und stets in Schuß,

ein sorgsam ausgefilterter,

in Westpoint ausgebildeter

Generalissimus.

Ich stieg gepflegt aus der Concorde

in Sachen Kapitalexport,

weil ich in Südamerika

für uns die besten Chancen sah.

Und daß er viele Chancen sieht,

das ist mein Spezialgebiet,

im Dunstkreis meines Machtbereichs,

gibt's Billiglohn und keine Streiks.

Eins, zwei, drei und abgezählt:

Was kostet die dritte Welt?

Eins, zwei, drei, das wär gelacht,

Tango, Tango der Macht.

Ich bin ein Kalkulierender

und ziehe kühl Kalkül,

ein nach Profiten Gierender,

die rechten Stellen Schmierender,

und habe nie zuviel.

Ich bin ein Unterdrückender,

und ich genier mich nicht,

ein die Rücken Bückender,

ein eiskalt Überblickender,

ein Sohn der Oberschicht.

Wir investieren hier Kapital,

und das rentiert sich tausendmal,

wenn wir dann aus dem Lande ziehn

den ganzen Risiko-Gewinn.

Und wer mich sieht, der sieht auch ein:

das Risiko bei uns ist klein.

Für jeden mit zu frechem Blick

stehn tausend schon vor der Fabrik.

Eins, zwei, drei und abgezählt:

Was kostet die dritte Welt?

Eins, zwei, drei, das wär' gelacht,

Tango, Tango der Macht.

 

Ketchup aus Mexiko

Aus dem Süden, aus der Dürre

ziehn zweihunderttausend Schatten,

ziehen sie in vielen Reihen,

Schatten ziehend in die Irre,

zu den grünen, zu den satten,

halbwegs satten Ländereien,

jedes Jahr zur Erntezeit.

Für die Ernte braucht es Hände

und die müssen billig sein.

Don Alejandro, großer Landherr,

du hast Felder ohne Ende,

hast Arbeit auf den Länderein.

Keine Last ist uns zu schwer,

und genügsam sind wir auch.

Und was wird dann aus den prallen

leuchtend roten Kugeln allen?

Ketchup!

Was wird aus allen, die sie pflücken,

die Ernte schleppen auf dem Rücken?

Ketchup!

Don Alejandro hat Tomaten,

hat Tomaten ohne Zahl

auf dem Land, das er besitzt,

die werden Ketchup für die Staaten,

Uncle Sammies Mittagsmahl,

und da wird viel Gift gespritzt,

daß die Ernte auch gelingt.

Aus den Fliegern regnet Gift,

überall wird es versprüht,

auf die Hütten, auf die Saat,

da ist nichts, das es nicht trifft,

und man trinkt's im Wasser mit,

giftiges Organphosphat,

aus Deutschland angeliefert.

Und was wird dann aus den prallen

leuchtend roten Kugeln allen?

Ketchup!

Was wird aus allen, die sie pflücken,

die Ernte schleppen auf dem Rücken?

Ketchup!

Überall im Wellblechschatten

siehst du kranke Kinder liegen,

und die Mütter werden fahl.

Unter reifenden Tomaten

fallen Männer um wie Fliegen,

und das Gift ist überall,

und die Arzte müssen schweigen.

Und was wird dann aus den prallen

leuchtend roten Kugeln allen?

Ketchup!

Was wird aus allen, die sie pflücken,

die Ernte schleppen auf dem Rücken?

Ketchup!

 

 

Goldner Weizen

Der Wind streicht durch das Weizenfeld

und doch ist Hunger in der Welt.

Mit Weizen läßt sich gut regieren,

mit Weizen kann man Kriege führen.

In Chile machte man den Weizen rar,

solange es demokratisch war.

Allende war für's Brot zu rot.

Goldner Weizen — weißes Mehl — blondes Brot.

Als am Nil noch Weizen stand,

da war dort gutes Ackerland.

Geschenkter Weizen, eingeführt,

das hat die Bauern schnell ruiniert.

Und Baumwolle wächst heute dort,

das Land braucht Geld aus dem Export,

denn dafür kauft es Weizenschrot.

Goldner Weizen — weißes Mehl — blondes Brot.

Der Wind, der durch den Weizen pfeift,

weiß, daß da mehr als Weizen reift.

Börsenkurse, Weltmarktpreise

wachsen hier und Macht und Mäuse,

hier wächst aus fetten Bodenfalten

fremder Länder Wohlverhalten,

wachsen Krieg und Hungersnot.

Goldner Weizen - weißes Mehl — blondes Brot.

 

Ich habe gehört, ... daß Leute in der Ernährung von uns abhängig werden können. Einige meinen, das sei keine gute Nachricht. Für mich ist das eine gute Nachricht, denn ehe jemand irgendetwas tun kann, muß er zu essen haben. Und wenn wir nach einem Weg suchen, wie man andere dazu bringen kann,. sich an uns anzulehnen und in ihrer Zusammenarbeit mit uns in Abhängigkeit von uns zu geraten, dann scheint mir, daß Abhängigkeit in der Ernährung eine großartige Sache wäre,

Hubert Humphrey, ehemaliger Senator von Minnesota und US-Vizepräsident, mit engen Verbindungen zum Getreidekonzern Cargill.

ln einer kühleren und deshalb hungrigeren Welt könnte die nahezu monopolartige Stellung der USA als Nahrungsexporteur den Vereinigten Staaten eine Macht verleihen, die sie nie zuvor hatten eine wirtschaftliche und politische Vorherrschaft, die über jene der unmittelbaren Nachkriegszeit hin ausgehen wird. Washington würde praktisch die Gewalt über leben und Tod der Menschen in bedürftigen Ländern erhalten.

CIA, Office of Political Research'. Mögliche Auswirkungen von Trends der Weltbevölkerung, der Nahrungsmittelproduktion und des Klimas. August 7974.

Als menschliche Wesen und Bürger bedauern wir den Zustand der Wirtschaft, aber dieser Zustand ist gut für's Geschäft.

Ein Mitglied der Getreidebörse

Madrigal

Geht, ihr vielen Toten,

geht mit euren roten

Wunden aus dem Eiswald unsrer Blicke.

Geht, ihr toten Vielen,

geht mit euren kühlen

Gliedern aus den Bildern unsrer Träume.

Geht, ihr Tränenreichen,

mit aufgetriebnen Bäuchen

schweigend aus dem Licht in unsren Räumen.

Geht, ihr Volk der Schatten

schließt die niemals satten

Münder, deren Schrei uns nie erreichte.

 

Alles fließt

Die Macht ist stahlbetoniert und die Ohnmacht ist nackt,

übermächtig die Festung der herrschenden Ordnung,

gebaut wie für die Ewigkeit und nicht zu erschüttern.

Und doch, die Mächtigen hält kalte Angst gepackt.

Die Meridiane sind mit toten Rebellen beflaggt.

Nichts hält sich so, wie es ist.

Wo ist das Joch, das besteht?

Alles fließt.

Großes vergeht.

Mächtiges fällt in das Feuer.

Die Macht hat das Fließen gestoppt und die Welt fest im Griff,

wie die Fliege im Bernstein erstarrt die Bewegung.

Und doch, das Starre kann die Balance nicht halten.

Schon wankt es und schreit und es stellt sich naiv,

im Ansturm der Wut vibriert das kompakte Massiv.

Nichts hält sich so, wie es ist.

Wo ist das Joch, das besteht?

Alles fließt.

Großes vergeht.

Goldenes rinnt in das Feuer.

Die Macht hat das Fürchten gelernt und sich fest verschanzt.

Wir sind auf der Seite der Tropfen, die höhlen den Stein.

Das ist eine Arbeit, da braucht es verdoppelte Kräfte,

bald ist der erste Baum unsrer Hoffnung gepflanzt.

Wann werden die ersten Schritte der Freiheit getanzt?

Nichts hält sich so, wie es ist.

Wo ist das Joch, das besteht?

Alles fließt.

Festes verweht.

Mächtiges fällt in das Feuer.

D

Krise, Krieg und Mordskrawall

Krisensong

Krise, Krieg und Mordskrawall! —

Es gibt 'nen kleinen Orts-Skandal!

Die Jugend will nicht mehr so recht,

weiß der Teufel, was sie möcht:

Bald ist ihr auch der Sport egal -

Krise, Krieg und Mordskrawall!

Karl, sei ein Kerl,

und tritt vor das Haus.

Und schau, was du siehst,

wie schaut denn das aus?

Krise, Krieg und Menschengrill!

Man macht mit uns doch, was man will.

Das erste der Gebote heißt:

Was nicht rentiert, wird abgespeist.

Ich hab ein bohrendes Gefühl —

Krise, Krieg und Menschengrill!

Schwarze Halden lieg'n stumm an der Ruhr,

fünf vor zwölf zeigt die Bahnhofsuhr.

In den Fabrikshallen spinnen jetzt

fleißige Spinnen ihr Spinnennetz.

Krise, Krieg und Säbelklirr'n!

Schon flackert manches Nebelhirn.

Wenn die Leute aufbegehr'n,

kann man immer öfter hörn:

»Die Knute muß der Pöbel spürn!«

Krise, Krieg und Säbelklirrn!

Karl, sei ein Kerl,

und tritt vor das Haus.

Und schau, was du siehst,

wie schaut denn das aus?

Krise, Krieg und Krückentanz!

Es tönt der Ruf des Vaterlands.

Tot ist der letzte Veteran,

schon stellen sich neue Schlächter an

mit Hackebeil und Lorbeerkranz:

Krise, Krieg und Krückentanz.

Schwarze Halden lieg'n stumm an der Ruhr,

fünf vor zwölf zeigt die Bahnhofsuhr.

In den Fabrikshallen spinnen jetzt

fleißige Spinnen ihr Spinnennetz.

Karl, gib letzt Ruh' —

mach die Tür wieder zu!

Verriegel das Tor,

und den Schrank schieb davor.

 

Naives Lied

Papa, wo ist dein Arbeitsplatz?

Papa, wo ist der meine?

Mama hat in der Küche Platz

und werkt dort von alleine.

Wo ist dein Arbeitsplatz, Papa?

Wohin ist er gegangen?

Gibt's denn keinen, der ihn sah?

Kannst du dir keinen fangen?

Gestern war er doch noch da,

doch plötzlich zog er Leine

und ging nach Südamerika —

Was machte ihm so Beine?

Dein Arbeitsplatz fuhr übers Meer

und blieb nicht hier im Lande.

Jetzt sehen wir ihn nimmermehr.

Papa, was für'ne Schande!

Dein Arbeitsplatz fiel über Bord.

Papa, wo ist denn meiner?

Die Arbeitsplätze laufen fort

und wandern wie Zigeuner.

Was reißen da für Sitten ein?

Was ist das für ein Haufen?

Papa, das müßt verboten sein,

daß Arbeitsplätze laufen!

Das Märchen von der schwarzen Braut

Und der Stahl ging mit der Kohle.

Wild entbrannt für ihn war sie.

Glut vom Scheitel bis zur Sohle —

welch' ein Bild der Harmonie.

Beinah täglich stieg die Quote:

Schwarzes Gold in stähl'ner Hand.

Und es rauchten alle Schlote

in der Kohle schwarzem Land.

Leute, schaut: Die schwarze Braut,

die durch den schwarzen Schleier schaut.

Die Börsenkurse tanzen,

die Baggerschaufein wühlen:

Das sind so die Romanzen,

die auf dem Weltmarkt spielen.

Doch die Beziehung ist zerbrochen,

denn der Stahl, das war ein Lump.

Wollte nur sein Süppchen kochen,

lebte wild in Pomp auf Pump.

Und der Stahl ging zu dem Hafen,

wo das Feuer näher war.

Und die Kohle mußte schlafen,

ganz allein mit schwarzem Haar.

Leute, schaut: Die schwarze Braut,

die durch den schwarzen Schleier schaut.

Die Stahlbarone tanzen,

die Kohlenkurse fielen:

Das sind so die Romanzen,

die auf dem Weltmarkt spielen.

Das war eine heiße Liebe

und die Folgen war'n egal.

Doch die Stimmung wurde trübe:

Plötzlich gab es zuviel Stahl.

Und er ist im Preis gesunken,

die Flammen wurden kleingedreht.

Manchmal denkt er trauertrunken,

wie's der verlass'nen Braut jetzt geht.

Leute, schaut: Die schwarze Braut,

die durch den schwarzen Schleier schaut.

Die Arme schläft im Freien,

und wird sich noch verkühlen.

Ja, das sind die Liebeleien,

die auf dem Weltmarkt spielen.

Vor der Stahlwerkstor-Baracke,

auf der schwarzen Ruhrpott-Schlacke,

ball'n sich Fäuste in der Hose:

Hunderttausend Arbeitslose

stehen da herum und schweigen.

Das blieb von diesem Liebesreigen.

Hätt' die Liebe sich rentiert, wären die zwei noch heut' liiert.

 

Das Krähenlied

Zwischen zwei Kriegen krächzen drei Krähen,

eine blind, eine bleich, eine federlos:

»Der nächste Krieg in Deutschland

wird uns eine Nummer zu groß!«

Der nächste Krieg in Deutschland

begann schon im Frieden vorher,

als sie den ersten Stiefel machten

für's neue Militär.

Man schafft sich doch keine Soldaten an

mit Helm und Fahneneid,

nur daß die dann nicht schießen sollen...

»Fröhliche Zwischenkriegszeit!«

Den nächsten Krieg in Deutschland,

den gibt es ja schon lang,

seit im Maiaufmarsch verstummte,

der Nie-Wieder-Kriegs-Gesang.

Man schämt sich doch nicht für den Frieden

schon in der Nachkriegszeit,

wenn da nicht wer an Kriege denkt, Fröhliche Zwischenkriegszeit!"

Zwischen zwei Kriegen krächzen drei Krähen,

eine arm, eine alt, eine abgezerrt:

"Der nächste Krieg in Deutschland

wird gigantisch und unerhört!"

Der nächste Krieg in Deutschland

begann, als der Kanzler sprach:

»Wir rüsten zwar jetzt nicht mehr auf,

jedoch wir rüsten nach!«

Man rüstet doch nicht um viel Geld

mit aller Rüstigkeit,

nur daß man es dann in die Ecke stellt

»Fröhliche Zwischenkriegszeit!»

Zwischen zwei Kriegen krächzen drei Krähen,

eine schwach, eine schwarz, eine invalid:

»Der nächste Krieg in Deutschland,

der reißt uns noch allesamt mit!«

Für den nächsten Krieg in Deutschland

sind Raketen stationiert,

gesteuert sind sie von anderswo,

doch in Deutschland sind sie postiert.

Man läßt doch nicht Fremde bestimmen,

den Tod und die Abschußzeit,

wenn das kein Schlachtfeld werden soll:

»Fröhliche Zwischenkriegszeit!«

Drei krächzende Krähen, die kämpfen sich

nach Grönland im eisigen Wind,

aber was machen all die andern

die dageblieben sind?

Lied eines Rüstungsarbeiters

Ich bin jetzt aus dem Ärgsten raus

und habe Kinder Frau und Haus,

und das hat nicht ein jeder.

Ein Kind ist sieben und eines vier,

und das mit sieben spielt Klavier

und schreibt schon mit der Feder.

Das Häuschen hab'n wir selbst gebaut,

mit Händen mit zerschürfter Haut

in Jahren der Entbehrung.

Am Gartentor, da hängt ein Schild,

daß hier ein Hund lebt, der wird wild

im Falle einer Störung.

Ich bin so friedlich wie ein Lamm und kann kein Blut sehn,

und will nur meinen Frieden und mein Glück.

Doch kommt ein Störefried - das kann nicht gut gehn,

weil dann seh ich rot und es gibt Krieg!

Ich zahle noch bis an mein Grab

die lausigen Kredite ab,

zumindest bis zur Rente.

Ich mach' nicht Krieg, bring keinen um,

doch gibt's jetzt einen Waffenboom

und Arbeit für Jahrzehnte.

Ich arbeite beim Panzerbau,

der Ton ist herzlich aber rauh

wir leben von dem Rufe unsrer Waffen.

Und unser neuestes Modell,

das ist sehr wendig und sehr schnell

und für Straßenkämpfe wie geschaffen.

Ich bin so friedlich wie ein Lamm und kann kein Blut sehn,

und will nur meinen Frieden und mein Glück.

Doch kommt ein Störefried — das kann nicht gut gehn,

weil dann seh ich rot und es gibt Krieg!

Die Panzer wachsen Schicht um Schicht.

Das weiß man ja: man braucht sie nicht,

um Blumen zu begießen.

Was soll das alberne Geschwätz?

Und tät' ich's nicht, ein andrer tät's —

das gleiche Blut tät fließen.

Unlängst stand beim Werk davor

ein großer Demonstrantenchor

und schrie: Export ist Mord!

Wenn so ein Haufen nicht versteht,

daß es um Arbeitsplätze geht,

dann prügeln wir ihn fort.

Ich bin so friedlich wie ein Lamm und kann kein Blut sehn,

und will nur meinen Frieden und mein Glück.

Doch kommt ein Störefried — das kann nicht gut gehn,

weil dann seh ich rot und es gibt Krieg!

Trotzlied

Das Lied am Schluß, das muß von Optimismus überlaufen...

Von solchen Schlußchorälen gibt's schon große Haufen.

Wir singen nicht noch eins dazu zum Drüberstreun,

wir brauchen unsrem Atem - der wird nötig sein.

Es ist nötig, das Dagegenstehn,

es ist nötig und es ist auch schön.

Es ist schön, seinen Kindern in die Augen schaun zu können,

es ist schön, sich rebellisch und trotzig zu nennen,

es ist schön, nicht in den Speicher des Computers zu passen,

es ist schön, den Wahnsinn nicht geschehen zu lassen,

es ist schön, dagegen zu stehn, es ist nötig und es ist auch schön.

Wir singen nicht vom strahlend hellen Morgen,

denn was da strahlen könnte, macht uns große Sorgen.

Es macht sich machtvoll die Tendenz des Todes breit,

wir stehn dagegen und wir haben nicht viel Zeit.

Es ist nötig, das Dagegenstehn,

es ist nötig, und es ist auch schön...

Das Lied am Schluß soll allen Freunden auf die Schulter klopfen

und hoffnungsvoll der Zukunft ihre Löcher stopfen,

wir aber haben für Morgenröten nicht mehr sehr viel Zeit,

denn morgen kann's noch dunkler sein, dunkler sein als heut'.

Wir dürfen uns vor Angst nicht gehen lassen

und den Wahnsinn nicht geschehen lassen.

Der Widerstand muß wachsen, eh unsre Zeit verrinnt,

weil ja auch wir Tendenz-Tendenz des Lebens sind.

Es ist nötig, das Dagegenstehn,

es ist nötig und es ist auch schön.

Es ist schön, seinen Kindern in die Augen schaun zu können

es ist schön, sich rebellisch und trotzig zu nennen,

es ist schön, nicht in den Speicher des Computers zu passen,

es ist schön, den Wahnsinn nicht geschehen zu lassen,

es ist schön, dagegen zu stehn,

es ist nötig und es ist auch schön.

Es ist nötig, das Dagegenstehn,

es ist nötig und es ist auch schön.

Es ist schön, Sand im Getriebe der Vernichtung zu sein

es ist schön, den Kampf gegen protzende Macht nicht zu scheun

es ist schön, die Verkünder des Hasses zu hassen.

es ist schön, den Wahnsinn nicht geschehen zu lassen.


© 1982  Heinz R. Unger 

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